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Beispiel mit den verantwortlichen Stakeholdern aus Politik, Behörden,
Krankenversicherungen oder Trägern in aller Kürze regeln. Das würde
gut zum Stichwort „Koste es, was es wolle!“ passen: 50 Millionen Euro
für ein Versorgungszentrum mit zusätzlichem Personal auf dem Wie-
ner Messegelände waren kein Problem.15
• Mittelfristig sind alle Privatisierungskonzepte im Gesundheitswesen zu
überdenken. Der Gesundheitssektor in Norditalien wurde massiven
Einsparungen unterworfen durch Privatisierungen in Krankenhäusern
und Altenheimen; in Frankreich wird das zentralistische Gesundheits-
system für die Eskalationen in der Krise verantwortlich gemacht. In
Österreich sollte die regionale und kommunale Vernetzung weiter aus-
gebaut werden, gerne auch in Public-Private-Partnership.
Zwischen Krankenhaus und Pflegeheim
Im Hinblick auf eine mögliche Überlastung von Krankenhäusern wurden
Patient*innen und Bewohner*innen verstärkt mit der Abfassung von Pati-
entenverfügungen konfrontiert, um u. a. auf gebotene medizinisch-
pflegerische Versorgung im Krankenhaus zu verzichten. So zentral
Wunsch und Wille für jede Pflege und Versorgung sind, so darf jedenfalls
kein Druck auf Willensäußerungen ausgeübt werden; gleichzeitig ist für
sinnvoll erwünschte medizinisch-pflegerische Behandlungen zu sorgen –
wofür ja in den Krankenhäusern gesorgt worden war. Alter und Gebrech-
lichkeit allein dürfen weder Anlass noch Begründung von Rationierungs-
maßnahmen sein; hier braucht es vorausschauende Wert- und Güterabwä-
gungen, die sich mit und an den Bewohner*innen bzw. deren Lebenszie-
len orientieren.
Die freie Entscheidung des Einzelnen ist ein Grundrecht und eine ethi-
sche Maxime. Sie dürfte nur dann eingeschränkt werden, wenn mit alter-
nativen Schritten zentrale Ziele bei der Vorbeugung und Behandlung von
Covid-19 nicht erreicht werden können. Viele Bewohner*innen, die weder
dement sind noch sich in gesetzlichen Vertretungen/Bevollmächtigungen
befinden, konnten nicht in die Einschränkungen einwilligen bzw. wurde
nicht um ihre Einwilligung gefragt. Damit stellt sich die Frage nach der
Rechtsgrundlage für die Bewegungseinschränkungen bzw. Besuchs- und
Begleitungsverbote von Angehörigen, Seelsorger*innen etc. für Bewoh-
ner*innen, die ganz offensichtlich weder ein Verdachtsfall noch infiziert
4.2
15 Vgl. https://wien.orf.at/stories/3052610/ [21.06.2020].
Corona und die Alten – um wen sorgen wir uns wirklich?
79
https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik