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Das Diskussionspapier nimmt einige der zwiespältigen Erfahrungen im
Pflegealltag auf – hier einige, die bislang noch unerwähnt blieben:
• Durch die Priorisierung des Infektionsschutzes wurden Alltagsprozesse
und Tagesstrukturen verändert, es kam zu erzwungenen Umzügen,
Mahlzeiten wurden nicht mehr gemeinsam eingenommen und Grup-
penaktivitäten massiv eingeschränkt.
• Insbesondere bei Menschen mit Demenz verschlimmerte sich die Ver-
wirrtheit und in der Folge kam es zu einer Verschlechterung des Allge-
meinzustandes, aber auch zu Aggressionen.
• Freiheitseinschränkende Maßnahmen aus der Überforderung der Pfle-
genden heraus bergen auch die Gefahr einer Zunahme von Gewalt und
Ăśbergriffen.
• Es konnte eine Zunahme in der Verabreichung ruhigstellender Medi-
kamente beobachtet werden, die nicht aus therapeutischen GrĂĽnden,
sondern aus einer Ăśberlastung heraus verabreicht wurden.
• Die latente Gefahr von Unter- bzw. Fehlversorgung wurde durch unzu-
reichend eingearbeitetes Aushilfspersonal gesteigert.
Die Forderungen und Empfehlungen des AEM-Diskussionspapiers
AbschlieĂźend ĂĽbernehme ich die Forderungen und Empfehlungen aus
pflegeethischer Sicht und ihre Konsequenzen auf den unterschiedlichen
Ebenen aus dem zitierten Dokument:
• „Menschenrechte und Grundrechte gelten für Pflegebedürftige wie für
alle Menschen auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie.
• Eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung und Pflege hat stets
Respekt vor der WĂĽrde einer jeden Person.
• Das gesellschaftliche Potenzial der Pflegeberufe liegt nicht in ihrer Auf-
opferungsbereitschaft, sondern in ihrer fachlichen Expertise, die den
Carebedarf der BĂĽrger*innen vertritt.
• Die gesellschaftliche und politische Anerkennung professioneller Pfle-
ge und der Pflegenden muss ĂĽber die Covid-19-Pandemie und ĂĽber das
Internationale Jahr der Pflegenden hinauswirken. Nicht einmalige Bo-
nuszahlungen, sondern langfristige finanzielle, soziale, gesellschaftliche
und interprofessionelle Anerkennung sind gefordert.
• Die andauernde pflegerische Versorgungskrise, die durch die Covid-19-
Pandemie weiter eskaliert, fĂĽhrt eindrĂĽcklich vor Augen, dass der poli-
tische Verzicht auf eine Verkammerung der Pflege in fast allen Bundes-
5.
Stefan Dinges
82
https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, MenschenwĂĽrde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik