Page - 6 - in Das Schloss
Image of the Page - 6 -
Text of the Page - 6 -
und die Gäste fragte: »Oder muß man etwa die Erlaubnis nicht haben?«
»Dann werde ich mir also die Erlaubnis holen müssen«, sagte K. gähnend
und schob die Decke von sich, als wolle er aufstehen.
»Ja von wem denn?« fragte der junge Mann.
»Vom Herrn Grafen«, sagte K., »es wird nichts anderes übrigbleiben.«
»Jetzt um Mitternacht die Erlaubnis vom Herrn Grafen holen?« rief der
junge Mann und trat einen Schritt zurück.
»Ist das nicht möglich?« fragte K. gleichmütig. »Warum haben Sie mich
also geweckt?«
Nun geriet aber der junge Mann außer sich. »Landstreichermanieren!« rief
er. »Ich verlange Respekt vor der gräflichen Behörde! Ich habe Sie deshalb
geweckt, um Ihnen mitzuteilen, daß Sie sofort das gräfliche Gebiet verlassen
müssen.«
»Genug der Komödie«, sagte K. auffallend leise, legte sich nieder und zog
die Decke über sich. »Sie gehen, junger Mann, ein wenig zu weit, und ich
werde morgen noch auf Ihr Benehmen zurückkommen. Der Wirt und die
Herren dort sind Zeugen, soweit ich überhaupt Zeugen brauche. Sonst aber
lassen Sie es sich gesagt sein, daß ich der Landvermesser bin, den der Graf
hat kommen lassen. Meine Gehilfen mit den Apparaten kommen morgen im
Wagen nach. Ich wollte mir den Marsch durch den Schnee nicht entgehen
lassen, bin aber leider einigemal vom Weg abgeirrt und deshalb erst so spät
angekommen. Daß es jetzt zu spät war, im Schloß mich zu melden, wußte ich
schon aus eigenem, noch vor Ihrer Belehrung. Deshalb habe ich mich auch
mit diesem Nachtlager hier begnügt, das zu stören Sie die – gelinde gesagt –
Unhöflichkeit hatten. Damit sind meine Erklärungen beendet. Gute Nacht,
meine Herren.« Und K. drehte sich zum Ofen hin.
»Landvermesser?« hörte er noch hinter seinem Rücken zögernd fragen,
dann war allgemeine Stille. Aber der junge Mann faßte sich bald und sagte
zum Wirt in einem Ton, der genug gedämpft war, um als Rücksichtnahme auf
K.s Schlaf zu gelten, und laut genug, um ihm verständlich zu sein: »Ich werde
telefonisch anfragen.« Wie, auch ein Telefon war in diesem Dorfwirtshaus?
Man war vorzüglich eingerichtet. Im einzelnen überraschte es K., im ganzen
hatte er es freilich erwartet. Es zeigte sich, daß das Telefon fast über seinem
Kopf angebracht war, in seiner Verschlafenheit hatte er es übersehen. Wenn
nun der junge Mann telefonieren mußte, dann konnte er beim besten Willen
K.s Schlaf nicht schonen, es handelte sich nur darum, ob K. ihn telefonieren
lassen sollte, er beschloß, es zuzulassen. Dann hatte es aber freilich auch
keinen Sinn, den Schlafenden zu spielen, und er kehrte deshalb in die
6
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik