Page - 18 - in Das Schloss
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2Kapitel
Als sie – K. erkannte es an einer Wegbiegung – fast beim Wirtshaus waren,
war es zu seinem Erstaunen schon völlig finster. War er so lange fort
gewesen? Doch nur ein, zwei Stunden etwa nach seiner Berechnung, und am
Morgen war er fortgegangen, und kein Essenbedürfnis hatte er gehabt, und bis
vor kurzem war gleichmäßige Tageshelle gewesen, erst jetzt die Finsternis.
»Kurze Tage, kurze Tage!« sagte er zu sich, glitt vom Schlitten und ging dem
Wirtshaus zu.
Oben auf der kleinen Vortreppe des Hauses stand, ihm sehr willkommen,
der Wirt und leuchtete mit erhobener Laterne ihm entgegen. Flüchtig an den
Fuhrmann sich erinnernd, blieb K. stehen, irgendwo hustete es im Dunkeln,
das war er. Nun, er würde ihn ja nächstens wiedersehen. Erst als er oben beim
Wirt war, der demütig grüßte, bemerkte er zu beiden Seiten der Tür je einen
Mann. Er nahm die Laterne aus der Hand des Wirts und beleuchtete die zwei;
es waren die Männer, die er schon getroffen hatte und die Artur und Jeremias
angerufen worden waren. Sie salutierten jetzt. In Erinnerung an seine
Militärzeit, an diese glücklichen Zeiten, lachte er. »Wer seid ihr?« fragte er
und sah vom einen zum anderen. »Euere Gehilfen«, antworteten sie. »Es sind
die Gehilfen«, bestätigte leise der Wirt. »Wie?« fragte K. »Ihr seid meine
alten Gehilfen, die ich nachkommen ließ, die ich erwarte?« Sie bejahten es.
»Das ist gut«, sagte K. nach einem Weilchen, »es ist gut, daß ihr gekommen
seid.« – »Übrigens«, sagte K. nach einem weiteren Weilchen, »ihr habt euch
sehr verspätet, ihr seid sehr nachlässig.« »Es war ein weiter Weg«, sagte der
eine. »Ein weiter Weg«, wiederholte K., »aber ich habe euch getroffen, wie
ihr vom Schlosse kamt.« – »Ja« sagten sie, ohne weitere Erklärung. »Wo habt
ihr die Apparate?« fragte K. »Wir haben keine«, sagten sie. »Die Apparate,
die ich euch anvertraut habe«, sagte K. »Wir haben keine«, wiederholten sie.
»Ach, seid ihr Leute!« sagte K., »versteht ihr etwas von Landvermessung?« –
»Nein«, sagten sie. »Wenn ihr aber meine alten Gehilfen seid, müßt ihr doch
das verstehen«, sagte K. und schob sie vor sich ins Haus.
Sie saßen dann zu dritt ziemlich schweigsam in der Wirtsstube beim Bier,
an einem kleinen Tischchen, K. in der Mitte, rechts und links die Gehilfen.
Sonst war nur ein Tisch mit Bauern besetzt, ähnlich wie am Abend vorher.
»Es ist schwer mit euch«, sagte K. und verglich wie schon öfters ihre
Gesichter, »wie soll ich euch denn unterscheiden? Ihr unterscheidet euch nur
durch die Namen, sonst seid ihr einander ähnlich wie« – er stockte,
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik