Page - 19 - in Das Schloss
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unwillkürlich fuhr er dann fort -, »sonst seid ihr einander ja ähnlich wie
Schlangen.« Sie lächelten. »Man unterscheidet uns sonst gut«, sagten sie zur
Rechtfertigung. »Ich glaube es«, sagte K., »ich war ja selbst Zeuge dessen,
aber ich sehe nur mit meinen Augen, und mit denen kann ich euch nicht
unterscheiden. Ich werde euch deshalb wie einen einzigen Mann behandeln
und beide Artur nennen, so heißt doch einer von euch. Du etwa?« – fragte K.
den einen. »Nein«, sagte dieser, »ich heiße Jeremias.« – »Es ist ja
gleichgültig«, sagte K., »ich werde euch beide Artur nennen. Schicke ich
Artur irgendwohin, so geht ihr beide, gebe ich Artur eine Arbeit, so macht ihr
sie beide, das hat zwar für mich einen großen Nachteil, daß ich euch nicht für
eine gesonderte Arbeit verwenden kann, aber dafür den Vorteil, daß ihr für
alles, was ich euch auftrage, gemeinsam ungeteilt die Verantwortung tragt.
Wie ihr untereinander die Arbeit aufteilt, ist mir gleichgültig, nur ausreden
dürft ihr euch nicht aufeinander, ihr seid für mich ein einziger Mann.« Sie
überlegten das und sagten: »Das wäre uns recht unangenehm.« – »Wie denn
nicht«, sagte K., »natürlich muß euch das unangenehm sein, aber es bleibt
so.« Schon ein Weilchen lang hatte K. einen der Bauern den Tisch
umschleichen sehen, endlich entschloß er sich, ging auf einen Gehilfen zu und
wollte ihm etwas zuflüstern. »Verzeiht«, sagte K., schlug mit der Hand auf
den Tisch und stand auf, »dies sind meine Gehilfen, und wir haben jetzt eine
Besprechung. Niemand hat das Recht, uns zu stören.« – »O bitte, o bitte«,
sagte der Bauer ängstlich und ging rücklings zu seiner Gesellschaft zurück.
»Dieses müßt ihr vor allem beachten«, sagte K. dann wieder sitzend. »Ihr
dürft mit niemandem ohne meine Erlaubnis sprechen. Ich bin hier ein
Fremder, und wenn ihr meine alten Gehilfen seid, dann seid auch ihr Fremde.
Wir drei Fremden müssen deshalb zusammenhalten, reicht mir daraufhin eure
Hände.« Allzu bereitwillig streckten sie sie K. entgegen. »Laßt euch die
Pratzen«, sagte er, »mein Befehl aber gilt. Ich werde jetzt schlafen gehen und
auch euch rate ich, das zu tun. Heute haben wir einen Arbeitstag versäumt,
morgen muß die Arbeit sehr frühzeitig beginnen. Ihr müßt einen Schlitten zur
Fahrt ins Schloß verschaffen und um sechs Uhr hier vor dem Haus mit ihm
bereitstehen.« – »Gut«, sagte der eine. Der andere aber fuhr dazwischen: »Du
sagst: Gut, und weißt doch, daß es unmöglich ist.« – »Ruhe«, sagte K., »ihr
wollt wohl anfangen, euch voneinander zu unterscheiden.« Doch nun sagte
auch schon der erste: »Er hat recht, es ist unmöglich, ohne Erlaubnis darf kein
Fremder ins Schloß.« – »Wo muß man um die Erlaubnis ansuchen?« – »Ich
weiß nicht, vielleicht beim Kastellan.« »Dann werden wir dort telefonisch
ansuchen, telefoniert sofort an den Kastellan, beide!« Sie liefen zum Apparat,
erlangten die Verbindung – wie sie sich dort drängten! Im Äußerlichen waren
sie lächerlich folgsam – und fragten, ob K. mit ihnen morgen ins Schloß
kommen dürfe. Das »Nein!« der Antwort hörte K. bis zu seinem Tisch. Die
Antwort war aber noch ausführlicher, sie lautete: »Weder morgen noch ein
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik