Page - 20 - in Das Schloss
Image of the Page - 20 -
Text of the Page - 20 -
andermal.« – »Ich werde selbst telefonieren«, sagte K. und stand auf.
Während K. und seine Gehilfen bisher, abgesehen von dem Zwischenfall des
einen Bauern, wenig beachtet worden waren, erregte seine letzte Bemerkung
allgemeine Aufmerksamkeit. Alle erhoben sich mit K., und obwohl sie der
Wirt zurückzudrängen suchte, gruppierten sie sich beim Apparat in engem
Halbkreis um ihn. Es überwog bei ihnen die Meinung, daß K. gar keine
Antwort bekommen werde. K. mußte sie bitten, ruhig zu sein, er verlange
nicht, ihre Meinungen zu hören.
Aus der Hörmuschel kam ein Summen, wie K. es sonst beim Telefonieren
nie gehört hatte. Es war, wie wenn sich aus dem Summen zahlloser kindlicher
Stimmen – aber auch dieses Summen war keines, sondern war Gesang
fernster, allerfernster Stimmen -, wie wenn sich aus diesem Summen in einer
geradezu unmöglichen Weise eine einzige hohe, aber starke Stimme bilde, die
an das Ohr schlug, so, wie wenn sie fordere, tiefer einzudringen als nur in das
armselige Gehör. K. horchte, ohne zu telefonieren, den linken Arm hatte er
auf das Telefonpult gestützt und horchte so.
Er wußte nicht wie lange; so lange, bis ihn der Wirt am Rock zupfte, ein
Bote sei für ihn gekommen. »Weg!« schrie K. unbeherrscht vielleicht in das
Telefon hinein, denn nun meldete sich jemand. Es entwickelte sich folgendes
Gespräch: »Hier Oswald, wer dort?« rief es, eine strenge, hochmütige
Stimme, mit einem kleinen Sprachfehler, wie es K. schien, den sie über sich
selbst hinaus durch eine weitere Zugabe von Strenge auszugleichen versuchte.
K. zögerte, sich zu nennen, dem Telefon gegenüber war er wehrlos, der
andere konnte ihn niederdonnern, die Hörmuschel weglegen, und K. hatte
sich einen vielleicht nicht unwichtigen Weg versperrt. K.s Zögern machte den
Mann ungeduldig. »Wer dort?« wiederholte er und fügte hinzu: »Es wäre mir
sehr lieb, wenn dortseits nicht soviel telefoniert würde, erst vor einem
Augenblick ist telefoniert worden.« K. ging auf diese Bemerkung nicht ein
und meldete mit einem plötzlichen Entschluß: »Hier der Gehilfe des Herrn
Landvermessers.« »Welcher Gehilfe? Welcher Herr? Welcher
Landvermesser?« K. fiel das gestrige Telefongespräch ein. »Fragen Sie
Fritz«, sagte er kurz. Es half, zu seinem eigenen Erstaunen. Aber mehr noch
als darüber, daß es half, staunte er über die Einheitlichkeit des Dienstes dort.
Die Antwort war: »Ich weiß schon. Der ewige Landvermesser. Ja, ja. Was
weiter? Welcher Gehilfe?« »Josef«, sagte K. Ein wenig störte ihn hinter
seinem Rücken das Murmeln der Bauern; offenbar waren sie nicht damit
einverstanden, daß er sich nicht richtig meldete. K. hatte aber keine Zeit, sich
mit ihnen zu beschäftigen, denn das Gespräch nahm ihn sehr in Anspruch.
»Josef?« fragte es zurück. »Die Gehilfen heißen« – eine kleine Pause,
offenbar verlangte er die Namen jemandem anderen ab – »Artur und
Jeremias.« »Das sind die neuen Gehilfen«, sagte K. »Nein, das sind die
20
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik