Page - 21 - in Das Schloss
Image of the Page - 21 -
Text of the Page - 21 -
alten.« – »Es sind die neuen, ich aber bin der alte, der dem Herrn
Landvermesser heute nachkam.« – »Nein!« schrie es nun. »Wer bin ich also?«
fragte K., ruhig wie bisher. Und nach einer Pause sagte die gleiche Stimme
mit dem gleichen Sprachfehler und war doch wie eine andere tiefere,
achtungswertere Stimme: »Du bist der alte Gehilfe.«
K. horchte dem Stimmklang nach und überhörte dabei fast die Frage: »Was
willst du?« Am liebsten hätte er den Hörer schon weggelegt. Von diesem
Gespräch erwartete er nichts mehr. Nur gezwungen fragte er noch schnell.-
»Wann darf mein Herr ins Schloß kommen?« – »Niemals«, war die Antwort.
»Gut«, sagte K. und hing den Hörer an.
Die Bauern hinter ihm waren schon ganz nahe an ihn herangerückt. Die
Gehilfen waren, mit vielen Seitenblicken nach ihm, damit beschäftigt, die
Bauern von ihm abzuhalten. Es schien aber nur Komödie zu sein, auch gaben
die Bauern, von dem Ergebnis des Gesprächs befriedigt, langsam nach. Da
wurde ihre Gruppe von hinten mit raschem Schritt von einem Mann geteilt,
der sich vor K. verneigte und ihm einen Brief übergab. K. behielt den Brief in
der Hand und sah den Mann an, der ihm im Augenblick wichtiger schien. Es
bestand eine große Ähnlichkeit zwischen ihm und den Gehilfen, er war so
schlank wie sie, ebenso knapp gekleidet, auch so gelenkig und flink wie sie,
aber doch ganz anders. Hätte K. doch lieber ihn als Gehilfen gehabt! Ein
wenig erinnerte er ihn an die Frau mit dem Säugling, die er beim
Gerbermeister gesehen hatte. Er war fast weiß gekleidet, das Kleid war wohl
nicht aus Seide, es war ein Winterkleid wie alle anderen, aber die Zartheit und
Feierlichkeit eines Seidenkleides hatte es. Sein Gesicht war hell und offen, die
Augen übergroß. Sein Lächeln war ungemein aufmunternd; er fuhr mit der
Hand über sein Gesicht, so, als wolle er dieses Lächeln verscheuchen, doch
gelang ihm das nicht. »Wer bist du?« fragte K. »Barnabas heiße ich«, sagte er.
»Ein Bote bin ich.« Männlich und doch sanft öffneten und schlossen sich
seine Lippen beim Reden. »Gefällt es dir hier?« fragte K. und zeigte auf die
Bauern, für die er noch immer nicht an Interesse verloren hatte und die er mit
ihren förmlich gequälten Gesichtern – der Schädel sah aus, als sei er oben
platt geschlagen worden, und die Gesichtszüge hatten sich im Schmerz des
Geschlagenwerdens gebildet -, ihren wulstigen Lippen, ihren offenen
Mündern zusahen, aber doch auch wieder nicht zusahen, denn manchmal irrte
ihr Blick ab und blieb, ehe er zurückkehrte, an irgendeinem gleichgültigen
Gegenstande haften, und dann zeigte K. auch auf die Gehilfen, die einander
umfaßt hielten, Wange an Wange lehnten und lächelten, man wußte nicht, ob
demütig oder spöttisch, er zeigte ihm diese alle, so, als stellte er ein ihm durch
besondere Umstände aufgezwungenes Gefolge vor und erwartete – darin lag
Vertraulichkeit, auf die kam es K. an -, daß Barnabas ständig unterscheiden
werde zwischen ihm und ihnen. Aber Barnabas nahm – in aller Unschuld
21
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik