Page - 24 - in Das Schloss
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erhoben sich die Bauern, um sich ihm zu nähern, es war schon ihre
Gewohnheit geworden, ihm immer nachzulaufen. »Was wollt ihr denn
immerfort von mir?« rief K. Sie nahmen es nicht übel und drehten sich
langsam zu ihren Plätzen zurück. Einer sagte im Abgehen zur Erklärung,
leichthin, mit einem undeutbaren Lächeln, das einige andere aufnahmen:
»Man hört immer etwas Neues«, und er leckte sich die Lippen, als sei das
Neue eine Speise. K. sagte nichts Versöhnliches, es war gut, wenn sie ein
wenig Respekt vor ihm bekamen, aber kaum saß er bei Barnabas, spürte er
schon den Atem eines Bauern im Nacken; er kam, wie er sagte, das Salzfaß
zu holen, aber K. stampfte vor Ärger auf, der Bauer lief denn auch ohne
Salzfaß weg. Es war wirklich leicht, K. beizukommen, man mußte zum
Beispiel nur die Bauern gegen ihn hetzen, ihre hartnäckige Teilnahme schien
ihm böser als die Verschlossenheit der anderen, und außerdem war es auch
Verschlossenheit, denn hätte K. sich zu ihrem Tisch gesetzt, wären sie gewiß
dort nicht sitzengeblieben. Nur die Gegenwart des Barnabas hielt ihn ab,
Lärm zu machen. Aber er drehte sich doch noch drohend nach ihnen um, auch
sie waren ihm zugekehrt. Wie er sie aber so dasitzen sah, jeden auf seinem
Platz, ohne sich miteinander zu besprechen, ohne sichtbare Verbindung
untereinander, nur dadurch miteinander verbunden, daß sie alle auf ihn
starrten, schien es ihm, als sei es gar nicht Bosheit, was sie ihn verfolgen ließ;
vielleicht wollten sie wirklich etwas von ihm und konnten es nur nicht sagen,
und war es nicht das, dann war es vielleicht nur Kindlichkeit, die hier zu
Hause zu sein schien; war nicht auch der Wirt kindlich, der ein Glas Bier, das
er irgendeinem Gast bringen sollte, mit beiden Händen hielt, stillstand, nach
K. sah und einen Zuruf der Wirtin überhörte, die sich aus dem
Küchenfensterchen vorgebeugt hatte?
Ruhiger wandte sich K. an Barnabas, die Gehilfen hätte er gern entfernt,
fand aber keinen Vorwand. Übrigens blickten sie still auf ihr Bier. »Den
Brief«, begann K., »habe ich gelesen. Kennst du den Inhalt?« – »Nein«, sagte
Barnabas, sein Blick schien mehr zu sagen als seine Worte. Vielleicht täuschte
sich K. hier im Guten, wie bei den Bauern im Bösen, als das Wohltuende
seiner Gegenwart blieb. »Es ist auch von dir in dem Brief die Rede, du sollst
nämlich hie und da Nachrichten zwischen mir und dem Vorstand vermitteln,
deshalb hatte ich gedacht, daß du den Inhalt kennst.« – »Ich bekam«, sagte
Barnabas, »nur den Auftrag, den Brief zu übergeben, zu warten, bis er gelesen
ist und, wenn es dir nötig scheint, eine mündliche oder schriftliche Antwort
zurückzubringen.« – »Gut«, sagte K., »es bedarf keines Schreibens, richte
dem Herrn Vorstand – wie heißt er denn? Ich konnte die Unterschrift nicht
lesen.« »Klamm«, sagte Barnabas. »Richte also Herrn Klamm meinen Dank
für die Aufnahme aus wie auch für seine besondere Freundlichkeit, die ich als
einer, der sich hier noch gar nicht bewährt hat, zu schätzen weiß. Ich werde
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik