Page - 35 - in Das Schloss
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»Solche Leute schickt man mir her«, sagte Frieda und biß im Zorn an ihren
dünnen Lippen. »Wer ist es?« fragte K. »Klamms Dienerschaft«, sagte Frieda.
»Immer wieder bringt er dieses Volk mit, dessen Gegenwart mich zerrüttet.
Ich weiß kaum, was ich heute mit Ihnen, Herr Landvermesser, gesprochen
habe; war es etwas Böses, verzeihen Sie es, die Gegenwart dieser Leute ist
schuld daran, sie sind das Verächtlichste und Widerlichste, was ich kenne, und
ihnen muß ich das Bier in die Gläser füllen. Wie oft habe ich Klamm schon
gebeten, sie zu Hause zu lassen; muß ich die Dienerschaft anderer Herren
schon ertragen, er könnte doch Rücksicht auf mich nehmen, aber alles Bitten
ist umsonst, eine Stunde vor seiner Ankunft stürmen sie immer schon herein,
wie das Vieh in den Stall. Aber nun sollen sie wirklich in den Stall, in den sie
gehören. Wären Sie nicht da, würde ich die Tür hier aufreißen, und Klamm
selbst müßte sie hinaustreiben.« – »Hört er sie denn nicht?« fragte K. »Nein«,
sagte Frieda. »Er schläft.« – »Wie!« rief K. »Er schläft? Als ich ins Zimmer
gesehen habe, war er doch noch wach und saß beim Tisch.« »So sitzt er noch
immer«, sagte Frieda, »auch als Sie ihn gesehen haben, hat er schon
geschlafen. Hätte ich Sie denn sonst hineinsehen lassen? Das war seine
Schlafstellung, die Herren schlafen sehr viel, das kann man kaum verstehen.
Übrigens, wenn er nicht so viel schliefe, wie könnte er diese Leute ertragen?
Nun werde ich sie aber selbst hinaustreiben müssen.« Sie nahm eine Peitsche
aus der Ecke und sprang mit einem einzigen hohen, nicht ganz sicheren
Sprung, so wie etwa ein Lämmchen springt, auf die Tanzenden zu. Zuerst
wandten sie sich gegen sie, als sei eine neue Tänzerin angekommen, und
tatsächlich sah es einen Augenblick lang so aus, als wolle Frieda die Peitsche
fallen lassen, aber dann hob sie sie wieder. »Im Namen Klamms«, rief sie, »in
den Stall! Alle in den Stall!« Nun sahen sie, daß es ernst war; in einer für K.
unverständlichen Angst begannen sie, in den Hintergrund zu drängen, unter
dem Stoß der ersten ging dort eine Tür auf, Nachtluft wehte herein, alle
verschwanden mit Frieda, die sie offenbar über den Hof in den Stall trieb.
In der nun plötzlich eingetretenen Stille aber hörte K. Schritte vom Flur.
Um sich irgendwie zu sichern, sprang er hinter das Ausschankpult, unter
welchem die einzige Möglichkeit sich zu verstecken war. Zwar war ihm der
Aufenthalt im Ausschank nicht verboten, aber da er hier übernachten wollte,
mußte er vermeiden, jetzt noch gesehen zu werden. Deshalb glitt er, als die
Tür wirklich geöffnet wurde, unter den Tisch. Dort entdeckt zu werden war
freilich auch nicht ungefährlich, immerhin war dann die Ausrede nicht
unglaubwürdig, daß er sich vor den wildgewordenen Bauern versteckt habe.
Es war der Wirt. »Frieda!« rief er und ging einige Male im Zimmer auf und
ab.
Glücklicherweise kam Frieda bald und erwähnte K. nicht, klagte nur über
die Bauern und ging, in dem Bestreben K. zu suchen, hinter das Pult. Dort
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik