Page - 71 - in Das Schloss
Image of the Page - 71 -
Text of the Page - 71 -
ich meinen. Es geht aber noch weiter. Hätten Sie nicht Vergessen gesucht,
hätten Sie gewiß nicht so rücksichtslos gegen sich selbst gearbeitet und die
Wirtschaft nicht so hoch gebracht. Also auch hier Klamm. Aber Klamm ist
auch noch, abgesehen davon, die Ursache Ihrer Krankheit, denn Ihr Herz war
schon vor Ihrer Heirat von der unglücklichen Leidenschaft erschöpft. Bleibt
nur noch die Frage, was Hansens Verwandte so sehr an der Heirat lockte. Sie
selbst erwähnten einmal, daß Klamms Geliebte zu sein eine unverlierbare
Rangerhöhung bedeutet; nun, so mag sie also dies gelockt haben. Außerdem
aber glaube ich, die Hoffnung, daß der gute Stern, der Sie zu Klamm geführt
hat – vorausgesetzt, daß es ein guter Stern war, aber Sie behaupten es -, zu
Ihnen gehöre, also bei Ihnen bleiben müsse und Sie nicht etwa so schnell und
plötzlich verlassen werde, wie Klamm es getan hat.«
»Meinen Sie das alles im Ernst?« fragte die Wirtin.
»Im Ernst«, sagte K. schnell, »nur glaube ich, daß Hansens Verwandtschaft
mit ihren Hoffnungen weder ganz recht noch ganz unrecht hatte, und ich
glaube auch den Fehler zu erkennen, den sie gemacht haben. Äußerlich
scheint ja alles gelungen, Hans ist gut versorgt, hat eine stattliche Frau, steht
in Ehren, die Wirtschaft ist schuldenfrei. Aber eigentlich ist doch nicht alles
gelungen, er wäre mit einem einfachen Mädchen, dessen erste große Liebe er
gewesen wäre, gewiß viel glücklicher geworden; wenn er, wie Sie es ihm
vorwerfen, manchmal in der Wirtsstube wie verloren dasteht, so deshalb, weil
er sich wirklich wie verloren fühlt – ohne darüber unglücklich zu sein, gewiß,
soweit kenne ich ihn schon -, aber ebenso gewiß ist es, daß dieser hübsche,
verständige Junge mit einer anderen Frau glücklicher, womit ich gleichzeitig
meinte, selbständiger, fleißiger, männlicher geworden wäre. Und Sie selbst
sind doch gewiß nicht glücklich und, wie Sie sagten, ohne die drei Andenken
wollten Sie gar nicht weiterleben, und herzkrank sind Sie auch. Also hatte die
Verwandtschaft mit ihren Hoffnungen unrecht? Ich glaube nicht. Der Segen
war über Ihnen, aber man verstand nicht, ihn herunterzuholen.«
»Was hat man denn versäumt?« fragte die Wirtin. Sie lag nun ausgestreckt
auf dem Rücken und blickte zur Decke empor.
»Klamm zu fragen«, sagte K.
»So wären wir also wieder bei Ihnen«, sagte die Wirtin.
»Oder bei Ihnen«, sagte K. »Unsere Angelegenheiten grenzen aneinander.«
»Was wollen Sie also von Klamm?« fragte die Wirtin. Sie hatte sich
aufrecht gesetzt, die Kissen auf geschüttelt, um sitzend sich anlehnen zu
können, und sah K. voll in die Augen. »Ich habe Ihnen meinen Fall, aus dem
Sie einiges hätten lernen können, offen erzählt. Sagen Sie mir nun ebenso
offen, was Sie Klamm fragen wollen. Nur mit Mühe habe ich Frieda
71
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik