Page - 79 - in Das Schloss
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Lage noch heute nachmittags Wenn wenigstens du hier bliebest, könnte man
es abwarten und dem Lehrer nur eine unbestimmte Antwort geben. Für mich
finde ich immer ein Nachtlager, wenn es sein muß, wirklich bei Bar… «
Frieda verschloß ihm mit der Hand den Mund. »Das nicht«, sagte sie
ängstlich, »bitte, sage das nicht wieder. Sonst aber folge ich dir in allem.
Wenn du willst, bleibe ich allein hier, so traurig es für mich wäre. Wenn du
willst, lehnen wir den Antrag ab, so unrichtig das meiner Meinung nach wäre.
Denn sieh, wenn du eine andere Möglichkeit findest, gar noch heute
nachmittags nun, so ist es selbstverständlich, daß wir die Stelle in der Schule
sofort aufgeben, niemand wird uns daran hindern. Und was die Demütigung
vor dem Lehrer betrifft, so laß mich dafür sorgen, daß es keine wird, ich
selbst werde mit ihm sprechen, du wirst nur stumm dabeistehen, und auch
später wird es nicht anders sein, niemals wirst du, wenn du nicht willst, selbst
mit ihm sprechen müssen, ich allein werde in Wirklichkeit seine Untergebene
sein, und nicht einmal ich werde es sein, denn ich kenne seine Schwächen. So
ist also nichts verloren, wenn wir die Stelle annehmen, vieles aber, wenn wir
sie ablehnen; vor allem würdest du wirklich auch nur für dich allein, wenn du
nicht noch heute etwas vom Schloß erreichst, nirgends im Dorf ein Nachtlager
finden, ein Nachtlager nämlich, für das ich mich als deine künftige Frau nicht
schämen müßte. Und wenn du kein Nachtlager bekommst, willst du dann
etwa von mir verlangen, daß ich hier im warmen Zimmer schlafe, während
ich weiß, daß du draußen in Nacht und Kälte umherirrst?« K., der die ganze
Zeit über, die Arme über der Brust gekreuzt, mit den Händen seinen Rücken
schlug, um sich ein wenig zu erwärmen, sagte: »Dann bleibt nichts übrig, als
anzunehmen. Komm!«
Im Zimmer eilte er gleich zum Ofen; um den Lehrer kümmerte er sich
nicht; dieser saß beim Tisch, zog die Uhr hervor und sagte: »Es ist spät
geworden.« – »Dafür sind wir aber jetzt auch völlig einig, Herr Lehrer«, sagte
Frieda. »Wir nehmen die Stelle an.« »Gut«, sagte der Lehrer, »aber die Stelle
ist dem Herrn Landvermesser angeboten. Er selbst muß sich äußern.« Frieda
kam K. zu Hilfe. »Freilich«, sagte sie, »er nimmt die Stelle an, nicht wahr,
K.?« So konnte K. seine Erklärung auf ein einfaches »ja« beschränken, das
nicht einmal an den Lehrer, sondern an Frieda gerichtet war. »Dann«, sagte
der Lehrer, »bleibt mir nur noch übrig, Ihnen Ihre Dienstpflichten
vorzuhalten, damit wir in dieser Hinsicht ein für allemal einig sind; Sie haben,
Herr Landvermesser, täglich beide Schulzimmer zu reinigen und zu heizen,
kleinere Reparaturen im Haus, ferner an den Schul- und Turngeräten selbst
vorzunehmen, den Weg durch den Garten schneefrei zu halten, Botengänge
für mich und das Fräulein Lehrerin zu machen und in der wärmeren Jahreszeit
alle Gartenarbeit zu besorgen. Dafür haben Sie das Recht, nach Ihrer Wahl in
einem der Schulzimmer zu wohnen; doch müssen Sie, wenn nicht gleichzeitig
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik