Page - 80 - in Das Schloss
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in beiden Zimmern unterrichtet wird und Sie gerade in dem Zimmer, in
welchem unterrichtet wird, wohnen, natürlich in das andere Zimmer
übersiedeln. Kochen dürfen Sie in der Schule nicht, dafür werden Sie und die
Ihren auf Kosten der Gemeinde hier im Wirtshaus verpflegt. Daß Sie sich der
Würde der Schule gemäß verhalten müssen und daß insbesondere die Kinder,
gar während des Unterrichts, niemals etwa Zeugen unliebsamer Szenen in
Ihrer Häuslichkeit werden dürfen, erwähne ich nur nebenbei, denn als
gebildeter Mann müssen Sie das wissen. In Zusammenhang damit bemerke
ich noch, daß wir darauf bestehen müssen, daß Sie Ihre Beziehungen zu
Fräulein Frieda möglichst bald legitimieren. Über dies alles und noch einige
Kleinigkeiten wird ein Dienstvertrag aufgesetzt, den Sie gleich, wenn Sie ins
Schulhaus einziehen, unterzeichnen müssen.« K. erschien das alles unwichtig,
so, als ob es ihn nicht betreffe oder jedenfalls nicht binde; nur die Großtuerei
des Lehrers reizte ihn, und er sagte leichthin: »Nun ja, es sind die üblichen
Verpflichtungen.« Um diese Bemerkung ein wenig zu verwischen, fragte
Frieda nach dem Gehalt. »Ob Gehalt gezahlt wird«, sagte der Lehrer, »wird
erst nach einmonatigem Probedienst erwogen werden.« – »Das ist aber hart
für uns«, sagte Frieda. »Wir sollen fast ohne Geld heiraten, unsere
Hauswirtschaft aus nichts schaffen. Könnten wir nicht doch, Herr Lehrer,
durch eine Eingabe an die Gemeinde um ein kleines sofortiges Gehalt bitten?
Würden Sie dazu raten?« – »Nein«, sagte der Lehrer, der seine Worte immer
an K. richtete. »Einer solchen Eingabe würde nur entsprochen werden, wenn
ich es empfehle, und ich würde es nicht tun. Die Verleihung der Stelle ist ja
nur eine Gefälligkeit Ihnen gegenüber, und Gefälligkeiten muß man, wenn
man sich seiner öffentlichen Verantwortung bewußt bleibt, nicht zu weit
treiben.« Nun mischte sich aber doch K. ein, fast gegen seinen Willen. »Was
die Gefälligkeit betrifft, Herr Lehrer«, sagte er, »glaube ich, daß Sie irren.
Diese Gefälligkeit ist vielleicht eher auf meiner Seite.« – »Nein«, sagte der
Lehrer lächelnd, nun hatte er doch K. zum Reden gezwungen. »Darüber bin
ich genau unterrichtet. Wir brauchen den Schuldiener etwa so dringend wie
den Landvermesser. Schuldiener wie Landvermesser, es ist eine Last an
unserem Halse. Es wird mich noch viel Nachdenken kosten, wie ich die
Ausgaben vor der Gemeinde begründen soll. Am besten und
wahrheitsgemäßesten wäre es, die Forderung nur auf den Tisch zu werfen und
gar nicht zu begründen.« – »So meine ich es ja«, sagte K., »gegen Ihren
Willen müssen Sie mich aufnehmen. Obwohl es Ihnen schweres Nachdenken
verursacht, müssen Sie mich aufnehmen. Wenn nun jemand genötigt ist, einen
anderen aufzunehmen, und dieser andere sich aufnehmen läßt, so ist er es
doch, der gefällig ist. « – »Sonderbar«, sagte der Lehrer, »was sollte uns
zwingen, Sie aufzunehmen? Des Herrn Vorstehers gutes, übergutes Herz
zwingt uns. Sie werden, Herr Landvermesser, das sehe ich wohl, manche
Phantasien aufgeben müssen, ehe Sie ein brauchbarer Schuldiener werden.
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik