Page - 84 - in Das Schloss
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klein, rot, gesund, das üppige, rötlichblonde Haar war in einen starken Zopf
geflochten, außerdem krauste es sich rund um das Gesicht, sie hatte ein ihr
sehr wenig passendes, glatt niederfallendes Kleid aus grauglänzendem Stoff,
unten war es kindlich ungeschickt von einem in eine Masche endigenden
Seidenband zusammengezogen, so daß es sie beengte. Sie erkundigte sich
nach Frieda, und ob sie nicht bald zurückkommen werde. Das war eine Frage,
die nahe an Boshaftigkeit grenzte. »Ich bin«, sagte sie dann, »gleich nach
Friedas Weggang in Eile hierher berufen worden, weil man doch nicht eine
Beliebige hier verwenden kann, ich war bis jetzt Zimmermädchen, aber es ist
kein guter Tausch, den ich gemacht habe. Viel Abend- und Nachtarbeit ist
hier, das ist sehr ermüdend, ich werde es kaum ertragen, ich wundere mich
nicht, daß Frieda es aufgegeben hat.« – »Frieda war hier sehr zufrieden«,
sagte K., um Pepi endlich auf den Unterschied aufmerksam zu machen, der
zwischen ihr und Frieda bestand und den sie vernachlässigte. »Glauben Sie
ihr nicht«, sagte Pepi. ,»Frieda kann sich beherrschen wie nicht leicht jemand.
Was sie nicht gestehen will, gesteht sie nicht, und dabei merkt man gar nicht,
daß sie etwas zu gestehen hätte. Ich diene doch jetzt hier schon einige Jahre
mit ihr, immer haben wir zusammen in einem Bett geschlafen, aber vertraut
bin ich mit ihr nicht, gewiß denkt sie heute schon nicht mehr an mich. Ihre
einzige Freundin vielleicht ist die alte Wirtin aus dem Brückengasthaus, und
das ist doch auch bezeichnend.« – »Frieda ist meine Braut«, sagte K. und
suchte nebenbei die Gucklochstelle in der Tür. »Ich weiß«, sagte Pepi,
»deshalb erzähle ich es ja. Sonst hätte es doch für Sie keine Bedeutung.« –
»Ich verstehe«, sagte K. »Sie meinen, daß ich stolz darauf sein kann, ein so
verschlossenes Mädchen für mich gewonnen zu haben.« – »Ja«, sagte sie und
lachte zufrieden, so, als habe sie K. zu einem geheimen Einverständnis
hinsichtlich Friedas gewonnen.
Aber es waren nicht eigentlich ihre Worte, die K. beschäftigten und ein
wenig vom Suchen ablenkten, sondern ihre Erscheinung war es und ihr
Vorhandensein an dieser Stelle. Freilich, sie war viel jünger als Frieda, fast
kindlich noch, und ihre Kleidung war lächerlich, sie hatte sich offenbar
angezogen entsprechend den übertriebenen Vorstellungen, die sie von der
Bedeutung eines Ausschankmädchens hatte. Und diese Vorstellungen hatte sie
gar noch in ihrer Art mit Recht, denn die Stellung, für die sie noch gar nicht
paßte, war wohl unverhofft und unverdient und nur vorläufig ihr zuteil
geworden, nicht einmal das Ledertäschchen, das Frieda immer im Gürtel
getragen hatte, hatte man ihr anvertraut. Und ihre angebliche Unzufriedenheit
mit der Stellung war nichts als Überhebung. Und doch, trotz ihrem kindlichen
Unverstand hatte auch sie wahrscheinlich Beziehungen zum Schloß; sie war
ja, wenn sie nicht log, Zimmermädchen gewesen; ohne von ihrem Besitz zu
wissen, verschlief sie hier die Tage, aber eine Umarmung dieses kleinen,
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik