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Weg wollte ich Ihnen öffnen«, sagte die Wirtin. »Habe ich Ihnen nicht am
Vormittag angeboten, Ihre Bitte an Klamm zu leiten? Dies wäre durch den
Herrn Sekretär geschehen. Sie aber haben es abgelehnt, und doch wird Ihnen
jetzt nichts anderes übrigbleiben als nur dieser Weg. Freilich, nach Ihrer
heutigen Aufführung, nach dem versuchten Überfall auf Klamm, mit noch
weniger Aussicht auf Erfolg. Aber diese letzte, kleinste, verschwindende,
eigentlich gar nicht vorhandene Hoffnung ist doch Ihre einzige.« – »Wie
kommt es, Frau Wirtin«, sagte K., »daß Sie ursprünglich mich so sehr davon
abzuhalten versucht haben, zu Klamm vorzudringen, und jetzt meine Bitte gar
so ernst nehmen und mich beim Mißlingen meiner Pläne gewissermaßen für
verloren zu halten scheinen? Wenn man mir einmal aus aufrichtigem Herzen
davon abraten konnte, überhaupt zu Klamm zu streben, wie ist es möglich,
daß man mich jetzt scheinbar ebenso aufrichtig auf dem Weg zu Klamm, mag
er zugegebenerweise auch gar nicht bis hin führen, geradezu vorwärts treibt?«
– »Treibe ich Sie denn vorwärts?« sagte die Wirtin. »Heißt es vorwärts
treiben, wenn ich sage, daß Ihre Versuche hoffnungslos sind? Das – wäre
doch wahrhaftig das Äußerste an Kühnheit, wenn Sie auf solche Weise die
Verantwortung für sich auf mich überwälzen wollten. Ist es vielleicht die
Gegenwart des Herrn Sekretärs, die Ihnen dazu Lust macht? Nein, Herr
Landvermesser, ich treibe Sie zu gar nichts an. Nur das eine kann ich
gestehen, daß ich Sie, als ich Sie zum erstenmal sah, vielleicht ein wenig
überschätzte. Ihr schneller Sieg über Frieda erschreckte mich, ich wußte nicht,
wessen Sie noch fähig sein könnten, ich wollte weiteres Unheil verhüten und
glaubte, dies durch nichts anderes erreichen zu können, als daß ich Sie durch
Bitten und Drohungen zu erschüttern versuchte. Inzwischen habe ich über das
Ganze ruhiger zu denken gelernt. Mögen Sie tun, was Sie wollen. Ihre Taten
werden vielleicht draußen im Schnee auf dem Hof tiefe Fußspuren
hinterlassen, mehr aber nicht.« – »Ganz scheint mir der Widerspruch nicht
aufgeklärt zu sein«, sagte K., »doch ich gebe mich damit zufrieden, auf ihn
aufmerksam gemacht zu haben. Nun bitte ich aber Sie, Herr Sekretär, mir zu
sagen, ob die Meinung der Frau Wirtin richtig ist, daß nämlich das Protokoll,
das Sie mit mir aufnehmen wollen, in seinen Folgen dazu führen könnte, daß
ich vor Klamm erscheinen darf. Ist dies der Fall, bin ich sofort bereit, alle
Fragen zu beantworten. In dieser Hinsicht bin ich überhaupt zu allem bereit.«
– »Nein«, sagte Momus, »solche Zusammenhänge bestehen nicht. Es handelt
sich nur darum, für die Klammsche Dorfregistratur eine genaue Beschreibung
des heutigen Nachmittags zu erhalten. Die Beschreibung ist schon fertig, nur
zwei, drei Lücken sollen Sie noch ausfüllen, der Ordnung halber; ein anderer
Zweck besteht nicht und kann auch nicht erreicht werden.« K. sah die Wirtin
schweigend an. »Warum sehen Sie mich an«, fragte die Wirtin, »habe ich
vielleicht etwas anderes gesagt? So ist er immer, Herr Sekretär, so ist er
immer. Fälscht die Auskünfte, die man ihm gibt, und behauptet dann, falsche
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik