Page - 108 - in Das Schloss
Image of the Page - 108 -
Text of the Page - 108 -
Beschmutzung zu bewahren. Es gelang ihr auch, obwohl die Lehrerin, um sie
abzuschrecken, mit dem Lineal immerfort nervenzerrüttend auf den Tisch
hämmerte. Als K. und Frieda sich angezogen hatten, mußten sie die Gehilfen,
die von den Ereignissen wie benommen waren, nicht nur mit Befehlen und
Stößen zum Anziehen drängen, sondern zum Teil sogar selbst anziehen.
Dann, als alle fertig waren, verteilte K. die nächsten Arbeiten: Die Gehilfen
sollten Holz holen und einheizen, zuerst aber im anderen Schulzimmer, von
dem noch große Gefahren drohten – denn dort war wahrscheinlich schon der
Lehrer. Frieda sollte den Fußboden reinigen und K. würde Wasser holen und
sonst Ordnung machen; ans Frühstücken war vorläufig nicht zu denken. Um
sich aber im allgemeinen über die Stimmung der Lehrerin zu unterrichten,
wollte K. als erster hinausgehen, die anderen sollten erst folgen, wenn er sie
riefe, er traf diese Einrichtung einerseits, weil er durch Dummheiten der
Gehilfen die Lage nicht von vornherein verschlimmern lassen wollte, und
andererseits, weil er Frieda möglichst schonen wollte, denn sie hatte Ehrgeiz,
er keinen, sie war empfindlich, er nicht, sie dachte nur an die gegenwärtigen
kleinen Abscheulichkeiten, er aber an Barnabas und die Zukunft. Frieda
folgte allen seinen Anordnungen genau, ließ kaum die Augen von ihm. Kaum
war er vorgetreten, rief die Lehrerin unter dem Gelächter der Kinder, das von
jetzt ab überhaupt nicht mehr aufhörte: »Na, ausgeschlafen?« und als K.
darauf nicht achtete, weil es doch keine eigentliche Frage war, sondern auf
den Waschtisch losging, fragte die Lehrerin: »Was haben Sie denn mit meiner
Mieze gemacht?« Eine große, alte fleischige Katze lag träg ausgebreitet auf
dem Tisch, und die Lehrerin untersuchte ihre offenbar ein wenig verletzte
Pfote. Frieda hatte also doch recht gehabt, diese Katze war zwar nicht auf sie
gesprungen, denn springen konnte sie wohl nicht mehr, aber über sie
hinweggekrochen, war über die Anwesenheit von Menschen in dem sonst
leeren Hause erschrocken, hatte sich eilig versteckt und bei dieser ihr
ungewohnten Eile sich verletzt. K. suchte es der Lehrerin ruhig zu erklären,
diese aber faßte nur das Ergebnis auf und sagte: »Nun ja, ihr habt sie verletzt,
damit habt ihr euch hier eingeführt. Sehen Sie doch!« und sie rief K. auf das
Katheder, zeigte ihm die Pfote, und ehe er sich dessen versah, hatte sie ihm
mit den Krallen einen Strich über den Handrücken gemacht; die Krallen
waren zwar schon stumpf, aber die Lehrerin hatte, diesmal ohne Rücksicht
auf die Katze, sie so fest eingedrückt, daß es doch blutige Striemen wurden.
»Und jetzt gehen Sie an Ihre Arbeit«, sagte sie ungeduldig und beugte sich
wieder zur Katze hinab. Frieda, welche mit den Gehilfen hinter dem Barren
zugesehen hatte, schrie beim Anblick des Blutes auf. K. zeigte die Hand den
Kindern und sagte: »Seht, das hat mir eine böse, hinterlistige Katze gemacht.«
Er sagte es freilich nicht der Kinder wegen, deren Geschrei und Gelächter
schon so selbstverständlich geworden war, daß es keines weiteren Anlasses
oder Anreizes bedurfte und daß kein Wort es durchdringen oder beeinflussen
108
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik