Page - 109 - in Das Schloss
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konnte. Da aber auch die Lehrerin nur durch einen kurzen Seitenblick die
Beleidigung beantwortete und sonst mit der Katze beschäftigt blieb, die erste
Wut also durch die blutige Bestrafung befriedigt schien, rief K. Frieda und die
Gehilfen, und die Arbeit begann.
Als K. den Eimer mit dem Schmutzwasser hinausgetragen, frisches Wasser
gebracht hatte und nun das Schulzimmer auszukehren begann, trat ein etwa
zwölfjähriger Junge aus einer Bank, berührte K.s Hand und sagte etwas im
großen Lärm gänzlich Unverständliches. Da hörte plötzlich aller Lärm auf, K.
wandte sich um. Das den ganzen Morgen über Gefürchtete war geschehen. In
der Tür stand der Lehrer, mit jeder Hand hielt er, der kleine Mann, einen
Gehilfen beim Kragen; er hatte sie wohl beim Holzholen abgefangen, denn
mit mächtiger Stimme rief er und legte nach jedem Wort eine Pause ein: »Wer
hat es gewagt, in den Holzschuppen einzubrechen? Wo ist der Kerl, daß ich
ihn zermalme?« Da erhob sich Frieda vom Boden, den sie zu Füßen der
Lehrerin reinzuwaschen sich abmühte, sah nach K. hin, so, als wolle sie sich
Kraft holen, und sagte, wobei etwas von ihrer alten Überlegenheit in Blick
und Haltung war: »Das habe ich getan, Herr Lehrer. Ich wußte mir keine
andere Hilfe. Sollten früh die Schulzimmer geheizt sein, mußte man den
Schuppen öffnen; in der Nacht den Schlüssel von Ihnen zu holen wagte ich
nicht; mein Bräutigam war im Herrenhof, es war möglich, daß er die Nacht
über dort blieb, so mußte ich mich allein entscheiden. Habe ich unrecht getan,
verzeihen Sie es meiner Unerfahrenheit; ich bin schon von meinem
Bräutigam genug ausgezankt worden, als er sah, was geschehen war. Ja, er
verbot mir sogar, früh einzuheizen, weil er glaubte, daß Sie durch Versperrung
des Schuppens gezeigt hätten, daß Sie nicht geheizt haben wollten, bevor Sie
selbst gekommen wären. Daß nicht geheizt ist, ist also seine Schuld, daß aber
der Schuppen erbrochen wurde, meine.« – »Wer hat die Tür erbrochen?«
fragte der Lehrer die Gehilfen, die noch immer vergeblich seinen Griff
abzuschütteln versuchten. »Der Herr«, sagten beide und zeigten, damit kein
Zweifel sei, auf K. Frieda lachte, und dieses Lachen schien noch beweisender
als ihre Worte, dann begann sie den Lappen, mit dem sie den Boden
gewaschen hatte, in den Eimer auszuwinden, so, als sei durch ihre Erklärung
der Zwischenfall beendet und die Aussagen der Gehilfen nur ein
nachträglicher Scherz; erst als sie wieder, zur Arbeit bereit, niedergekniet war,
sagte sie: »Unsere Gehilfen sind Kinder, die trotz ihren Jahren noch in diese
Schulbänke gehören. Ich habe nämlich gegen Abend die Tür mit der Axt
allein geöffnet, es war sehr einfach, die Gehilfen brauchte ich dazu nicht, sie
hätten nur gestört. Als dann in der Nacht aber mein Bräutigam kam und
hinausging, um den Schaden zu besehen und womöglich zu reparieren, liefen
die Gehilfen mit, wahrscheinlich weil sie fürchteten, hier allein zu bleiben,
sahen meinen Bräutigam an der aufgerissenen Tür arbeiten, und deshalb
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik