Page - 114 - in Das Schloss
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um ihm zu entgehen, will ich fort. Nicht Klamm, sondern du fehlst mir,
deinetwegen will ich fort; weil ich mich an dir nicht sättigen kann, hier wo
alle an mir reißen. Würde mir doch lieber die hübsche Larve abgerissen,
würde doch lieber mein Körper elend, daß ich in Frieden bei dir leben
könnte.« K. hörte daraus nur eines. »Klamm ist noch immer in Verbindung
mit dir?« fragte er gleich. »Er ruft dich?« – »Von Klamm weiß ich nichts«,
sagte Frieda, »ich rede jetzt von anderen, zum Beispiel von den Gehilfen.« –
»Ah, die Gehilfen!« sagte K. überrascht. »Sie verfolgen dich?« – »Hast du es
denn nicht bemerkt?« fragte Frieda. »Nein«, sagte K. und suchte sich
vergeblich an Einzelheiten zu erinnern, »zudringliche und lüsterne Jungen
sind es wohl, aber daß sie sich an dich herangewagt hätten, habe ich nicht
bemerkt.« – »Nicht?« sagte Frieda. »Du hast nicht bemerkt, wie sie aus
unserem Zimmer im Brückenhof nicht fortzubringen waren, wie sie unsere
Beziehungen eifersüchtig überwachten, wie sich einer letzthin auf meinen
Platz auf den Strohsack legte, wie sie jetzt gegen dich aussagten, um dich zu
vertreiben, zu verderben, um mit mir allein zu sein. Das alles hast du nicht
bemerkt?« K. sah Frieda an, ohne zu antworten. Diese Anklagen gegen die
Gehilfen waren wohl richtig, aber sie konnten alle auch viel unschuldiger
gedeutet werden, aus dem ganzen lächerlichen, kindischen, fahrigen,
unbeherrschten Wesen der beiden. Und sprach nicht gegen die Beschuldigung
auch, daß sie doch immer danach gestrebt hatten, überall mit K. zu gehen und
nicht bei Frieda zurückzubleiben? K. erwähnte etwas Derartiges.
»Heuchelei«, sagte Frieda, »das hast du nicht durchschaut? Ja, warum hast du
sie denn fortgetrieben, wenn nicht aus diesen Gründen?« Und sie ging zum
Fenster, rückte den Vorhang ein wenig zur Seite, blickte hinaus und rief dann
K. zu sich. Noch immer waren die Gehilfen draußen am Gitter, so müde sie
auch sichtlich schon waren, streckten sie doch noch von Zeit zu Zeit, alle
Kräfte zusammennehmend, die Arme bittend gegen die Schule aus. Einer
hatte, um sich nicht immerfort festhalten zu müssen, den Rock hinten auf
einer Gitterstange aufgespießt.
»Die Armen! Die Armen!« sagte Frieda.
»Warum ich sie weggetrieben habe?« rief K. »Der unmittelbare Anlaß
dafür bist du gewesen.« – »Ich?« fragte Frieda, ohne den Blick von draußen
abzuwenden. »Deine allzufreundliche Behandlung der Gehilfen«, sagte K.,
»das Verzeihen ihrer Unarten, das Lachen über sie, das Streicheln ihrer Haare,
das fortwährende Mitleid mit ihnen, ›die Armen, die Armen‹, sagst du wieder,
und schließlich der letzte Vorfall, da ich dir als Preis nicht zu hoch war, die
Gehilfen von den Prügeln loszukaufen.« – »Das ist es ja«, sagte Frieda,
»davon spreche ich doch, das ist es ja, was mich unglücklich macht, was mich
von dir abhält, während ich doch kein größeres Glück für mich weiß, als bei
dir zu sein, immerfort, ohne Unterbrechung, ohne Ende, während ich doch
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik