Page - 115 - in Das Schloss
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davon träume, daß hier auf der Erde kein ruhiger Platz für unsere Liebe ist,
nicht im Dorf und nicht anderswo, und ich mir deshalb ein Grab vorstelle, tief
und eng; dort halten wir uns umarmt wie mit Zangen, ich verberge mein
Gesicht an dir, du deines an mir, und niemand wird uns jemals mehr sehen.
Hier aber – sieh die Gehilfen! Nicht dir gilt es, wenn sie die Hände falten,
sondern mir.« – »Und nicht ich«, sagte K., »sehe sie an, sondern du.« –
»Gewiß, ich«, sagte Frieda fast böse, »davon spreche ich doch immerfort.
Was würde denn sonst daran liegen, daß die Gehilfen hinter mir her sind;
mögen sie auch Abgesandte Klamms sein.« – »Abgesandte Klamms«, sagte
K., den diese Bezeichnung, so natürlich sie ihm gleich erschien, doch sehr
überraschte. »Abgesandte Klamms, gewiß«, sagte Frieda, »mögen sie dies
sein, so sind sie doch auch gleichzeitig läppische Jungen, die zu ihrer
Erziehung noch Prügel brauchen. Was für häßliche, schwarze Jungen es sind!
Und wie abscheulich ist der Gegensatz zwischen ihren Gesichtern, die auf
Erwachsene, ja fast auf Studenten schließen lassen, und ihrem kindisch-
närrischen Benehmen! Glaubst du, daß ich das nicht sehe? Ich schäme mich ja
ihrer. Aber das ist es ja eben, sie stoßen mich nicht ab, sondern ich schäme
mich ihrer. Ich muß immer zu ihnen hinsehen. Wenn man sich über sie ärgern
sollte, muß ich lachen. Wenn man sie schlagen sollte, muß ich über ihr Haar
streichen. Und wenn ich neben dir liege in der Nacht, kann ich nicht schlafen,
und muß über dich hinweg zusehen, wie der eine, fest in die Decke eingerollt,
schläft und der andere vor der offenen Ofentür kniet und heizt, und ich muß
mich vorbeugen, daß ich dich fast wecke. Und nicht die Katze erschreckt
mich – ach, ich kenne Katzen und ich kenne auch das unruhige, immerfort
gestörte Schlummern im Ausschank – nicht die Katze erschreckt mich, ich
selbst mache mir Schrecken. Und es bedarf gar nicht dieses Ungetümes von
einer Katze, ich fahre beim kleinsten Geräusch zusammen. Einmal fürchtete
ich, daß du aufwachen wirst und alles zu Ende sein wird, und dann wieder
springe ich auf und zünde die Kerze an, damit du nur schnell aufwachst und
mich beschützen kannst.« – »Von dem allen habe ich nichts gewußt«, sagte
K., »nur in einer Ahnung dessen habe ich sie vertrieben; nun sind sie aber
fort, nun ist vielleicht alles gut.« – »Ja, endlich sind sie fort«, sagte Frieda,
aber ihr Gesicht war gequält, nicht freudig, »nur wissen wir nicht, wer sie
sind. Abgesandte Klamms, ich nenne sie in meinen Gedanken, im Spiele so,
aber vielleicht sind sie es wirklich. Ihre Augen, diese einfältigen und doch
funkelnden Augen, erinnern mich irgendwie an die Augen Klamms, ja, das ist
es: Es ist Klamms Blick, der mich manchmal aus ihren Augen durchfährt.
Und unrichtig ist es deshalb, wenn ich sagte, daß ich mich ihrer schäme. Ich
wollte nur, es wäre so. Ich weiß zwar, daß anderswo und bei anderen
Menschen das gleiche Benehmen dumm und anstößig wäre, bei ihnen ist es
nicht so. Mit Achtung und Bewunderung sehe ich ihren Dummheiten zu.
Wenn es aber Klamms Abgesandte sind, wer befreit uns von ihnen; und wäre
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik