Page - 116 - in Das Schloss
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es dann überhaupt gut, von ihnen befreit zu werden? Müßtest du sie dann
nicht schnell hereinholen und glücklich sein, wenn sie noch kämen?« – »Du
willst, daß ich sie wieder hereinlasse?« fragte K. »Nein, nein«, sagte Frieda,
»nichts will ich weniger. Ihren Anblick, wenn sie nun hereinstürmten, ihre
Freude, mich wiederzusehen, ihr Herumhüpfen von Kindern und ihr
Armausstrecken von Männern, das alles würde ich vielleicht gar nicht
ertragen können. Wenn ich dann aber wieder bedenke, daß du, wenn du gegen
sie hart bleibst, damit vielleicht Klamm selbst den Zutritt zu dir verweigerst,
will ich dich mit allen Mitteln vor den Folgen dessen bewahren. Dann will
ich, daß du sie hereinkommen läßt. Dann K., nur schnell herein mit ihnen!
Nimm keine Rücksicht auf mich, was liegt an mir! Ich werde mich wehren,
solange ich kann; wenn ich aber verlieren sollte, nun, so werde ich verlieren,
aber dann mit dem Bewußtsein, daß auch dies für dich geschehen ist.« »Du
bestärkst mich nur in meinem Urteil hinsichtlich der Gehilfen«, sagte K.
»Niemals werden sie mit meinem Willen hereinkommen. Daß ich sie
hinausgebracht habe, beweist doch, daß man sie unter Umständen
beherrschen kann, und damit weiterhin, daß sie nichts Wesentliches mit
Klamm zu tun haben. Erst gestern abend bekam ich einen Brief von Klamm,
aus dem zu sehen ist, daß Klamm über die Gehilfen ganz falsch unterrichtet
ist, woraus wieder geschlossen werden muß, daß sie ihm völlig gleichgültig
sind, denn wären sie dies nicht, so hätte er sich gewiß genaue Nachrichten
über sie beschaffen können. Daß aber du Klamm in ihnen siehst, beweist
nichts, denn noch immer, leider, bist du von der Wirtin beeinflußt und siehst
Klamm überall. Noch immer bist du Klamms Geliebte, noch lange nicht
meine Frau. Manchmal macht mich das ganz trübe, mir ist dann, wie wenn
ich alles verloren hätte, ich habe dann das Gefühl, als sei ich eben erst ins
Dorf gekommen, aber nicht hoffnungsvoll, wie ich damals in Wirklichkeit
war, sondern im Bewußtsein, daß mich nur Enttäuschungen erwarten und daß
ich eine nach der anderen werde durchkosten müssen bis zum letzten
Bodensatz. Doch ist das nur manchmal«, fügte K. lächelnd hinzu, als er sah,
wie Frieda unter seinen Worten zusammensank, »und beweist doch im
Grunde etwas Gutes, nämlich, was du mir bedeutest. Und wenn du mich jetzt
aufforderst, zwischen dir und den Gehilfen zu wählen, so haben damit die
Gehilfen schon verloren. Was für ein Gedanke, zwischen dir und den Gehilfen
zu wählen! Nun will ich sie aber endgültig los sein, in Worten und Gedanken.
Wer weiß übrigens, ob die Schwäche, die uns beide überkommen hat, nicht
daher stammt, daß wir noch immer nicht gefrühstückt haben?« – »Möglich«,
sagte Frieda, müde lächelnd, und ging an die Arbeit. Auch K. ergriff wieder
den Besen.
Nach einem Weilchen klopfte es leise. »Barnabas!« schrie K., warf den Besen
hin und war mit einigen Sätzen bei der Tür. Über den Namen mehr als über
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik