Page - 118 - in Das Schloss
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Zukunft, vielleicht aber auch nur infolge der Sinnestäuschung des unruhig-
gespannten Zuhörers, fast ein energischer, kluger, weitblickender Mann zu
sprechen schien, der dann aber gleich darauf ohne Übergang nur ein
Schuljunge war, der manche Fragen gar nicht verstand, andere mißdeutete,
der in kindlicher Rücksichtslosigkeit zu leise sprach, obwohl er oft auf den
Fehler aufmerksam gemacht worden war, und der schließlich wie aus Trotz
gegenüber manchen dringenden Fragen vollkommen schwieg, und zwar ganz
ohne Verlegenheit, wie es ein Erwachsener niemals könnte. Es war überhaupt,
wie wenn seiner Meinung nach nur ihm das Fragen erlaubt sei, durch das
Fragen der anderen aber irgendeine Vorschrift durchbrochen und Zeit
verschwendet würde. Er konnte dann lange Zeit stillsitzen mit aufrechtem
Körper, gesenktem Kopf, aufgeworfener Unterlippe. Frieda gefiel das so, daß
sie ihm öfters Fragen stellte, von denen sie hoffte, daß sie ihn auf diese Weise
verstummen lassen würden; es gelang ihr auch manchmal, aber K. ärgerte es.
Im ganzen erfuhr man wenig. Die Mutter war ein wenig kränklich, aber was
für eine Krankheit es war, blieb unbestimmt, das Kind, das Frau Brunswick
auf dem Schoß gehabt hatte, war Hansens Schwester und hieß Frieda (die
Namensgleichheit mit der ihn ausfragenden Frau nahm Hans unfreundlich
auf), sie wohnten alle im Dorf, aber nicht bei Lasemann, sie waren dort nur zu
Besuch gewesen, um gebadet zu werden, weil Lasemann das große Schaff
hatte, in dem zu baden und sich herumzutreiben den kleinen Kindern, zu
denen aber Hans nicht gehörte, ein besonderes Vergnügen machte; von
seinem Vater sprach Hans ehrfurchtsvoll oder ängstlich, aber nur, wenn nicht
gleichzeitig von der Mutter die Rede war, gegenüber der Mutter war des
Vaters Wert offenbar klein, übrigens blieben alle Fragen über das
Familienleben, wie immer man auch heranzukommen suchte, unbeantwortet.
Vom Gewerbe des Vaters erfuhr man, daß er der größte Schuster des Ortes
war, keiner war ihm gleich, wie öfters auch auf ganz andere Fragen hin
wiederholt wurde, er gab sogar den andern Schustern, zum Beispiel auch dem
Vater Barnabas’, Arbeit, in diesem letzten Falle tat es Brunswick wohl nur aus
besonderer Gnade, wenigstens deutete dies die stolze Kopfwendung Hansens
an, welche Frieda veranlaßte, zu ihm hinunterzuspringen und ihm einen Kuß
zu geben. Die Frage, ob er schon im Schloß gewesen sei, beantwortete er erst
nach vielen Wiederholungen, und zwar mit »Nein«; die gleiche Frage
hinsichtlich der Mutter beantwortete er gar nicht. Schließlich ermüdete K.;
auch ihm schien das Fragen unnütz, er gab darin dem Jungen recht, auch war
darin etwas Beschämendes, auf dem Umweg über das unschuldige Kind
Familiengeheimnisse ausforschen zu wollen, doppelt beschämend allerdings
war, daß man auch hier nichts erfuhr. Und als dann K. zum Abschluß den
Jungen fragte, worin er denn zu helfen sich anbiete, wunderte er sich nicht
mehr zu hören, daß Hans nur hier bei der Arbeit helfen wolle, damit der
Lehrer und die Lehrerin mit K. nicht mehr so zankten. K. erklärte Hans, daß
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik