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eine solche Hilfe nicht nötig sei, Zanken gehöre wohl zu des Lehrers Natur,
und man werde wohl auch durch genaueste Arbeit sich kaum davor schützen
können, die Arbeit selbst sei nicht schwer, und nur infolge zufälliger
Umstände sei er mit ihr heute im Rückstand, übrigens wirke auf K. dieses
Zanken nicht so wie auf einen Schüler, er schüttle es ab, es sei ihm fast
gleichgültig, auch hoffe er, dem Lehrer sehr bald völlig entgehen zu können.
Da es sich also nur um Hilfe gegen den Lehrer gehandelt habe, danke er dafür
bestens und Hans könne wieder zurückgehen, hoffentlich werde er nicht noch
bestraft werden. Obwohl es K. gar nicht betonte und nur unwillkürlich
andeutete, daß es nur die Hilfe gegenüber dem Lehrer sei, die er nicht
brauche, während er die Frage nach anderer Hilfe offenließ, hörte es Hans
doch klar heraus und fragte, ob K. vielleicht andere Hilfe brauche; sehr gern
würde er ihm helfen, und wenn er es selbst nicht imstande wäre, würde er
seine Mutter darum bitten, und dann würde es gewiß gelingen. Auch wenn
der Vater Sorgen hat, bittet er die Mutter um Hilfe. Und die Mutter habe auch
schon einmal nach K. gefragt, sie selbst gehe kaum aus dem Haus, nur
ausnahmsweise sei sie damals bei Lasemann gewesen; er, Hans, aber gehe
öfters hin, um mit Lasemanns Kindern zu spielen, und da habe ihn die Mutter
einmal gefragt, ob dort vielleicht wieder einmal der Landvermesser gewesen
sei. Nun dürfe man die Mutter, weil sie so schwach und müde sei, nicht
unnütz aufregen, und so habe er nur einfach gesagt, daß er den
Landvermesser dort nicht gesehen habe, und weiter sei davon nicht
gesprochen worden; als er ihn nun aber hier in der Schule gefunden habe,
habe er ihn ansprechen müssen, damit er der Mutter berichten könne. Denn
das habe die Mutter am liebsten, wenn man, ohne ausdrücklichen Befehl, ihre
Wünsche erfüllt. Darauf sagte K. nach kurzer Überlegung, er brauche keine
Hilfe, er habe alles, was er benötigte, aber es sei sehr lieb von Hans, daß er
ihm helfen wolle, und er danke ihm für die gute Absicht, es sei ja möglich,
daß er später einmal etwas brauchen werde, dann werde er sich an ihn
wenden, die Adresse habe er ja. Dagegen könne vielleicht er, K., diesmal ein
wenig helfen, es tue ihm leid, daß Hansens Mutter kränkle und offenbar
niemand hier das Leiden verstehe; in einem solchen vernachlässigten Falle
kann oft eine schwere Verschlimmerung eines an sich leichten Leidens
eintreten. Nun habe er, K., einige medizinische Kenntnisse und, was noch
mehr wert sei, Erfahrung in der Krankenbehandlung. Manches, was Ärzten
nicht gelungen sei, sei ihm geglückt. Zu Hause habe man ihn wegen seiner
Heilwirkung immer »das bittere Kraut« genannt. Jedenfalls würde er gern
Hansens Mutter ansehen und mit ihr sprechen. Vielleicht könnte er einen
guten Rat geben, schon um Hansens willen täte er es gern. Hansens Augen
leuchteten bei diesem Angebot zuerst auf, verführten K. dazu, dringlicher zu
werden, aber das Ergebnis war unbefriedigend, denn Hans sagte auf
verschiedene Fragen, und war dabei nicht einmal sehr traurig, zur Mutter
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik