Page - 122 - in Das Schloss
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nicht ausreichen werde, davor müsse man sich nicht fürchten, ein kurzes
Gespräch, ein kurzes Beisammensein genüge, und holen müsse Hans K. nicht.
K. werde irgendwo in der Nähe des Hauses versteckt warten, und auf ein
Zeichen Hansens werde er gleich kommen. Nein, sagte Hans, beim Haus
warten dürfe K. nicht – wieder war es die Empfindlichkeit wegen seiner
Mutter, die ihn beherrschte -, ohne Wissen der Mutter dürfe K. sich nicht auf
den Weg machen, in ein solches vor der Mutter geheimes Einverständnis
dürfe Hans mit K. nicht eintreten; er müsse K. aus der Schule holen, und nicht
früher, als es die Mutter wisse und erlaube. Gut, sagte K., dann sei es ja
wirklich gefährlich, und es sei dann möglich, daß der Vater ihn im Hause
ertappen werde; und wenn schon dies nicht geschehen sollte, so wird doch die
Mutter in Angst davor K. überhaupt nicht kommen lassen, und so werde doch
alles am Vater scheitern. Dagegen wehrte sich wieder Hans, und so ging der
Streit hin und her.
Längst schon hatte K. Hans aus der Bank zum Katheder gerufen, hatte ihn zu
sich zwischen die Knie gezogen und streichelte ihn manchmal begütigend.
Diese Nähe trug auch dazu bei, trotz Hansens zeitweiligem Widerstreben ein
Einvernehmen herzustellen. Man einigte sich schließlich auf folgendes: Hans
werde zunächst der Mutter die volle Wahrheit sagen; jedoch, um ihr die
Zustimmung zu erleichtern, hinzufügen, daß K. auch mit Brunswick selbst
sprechen wolle, allerdings nicht wegen der Mutter, sondern wegen seiner
Angelegenheiten. Dies war auch richtig, im Laufe des Gesprächs war es K.
eingefallen, daß ja Brunswick, mochte er auch sonst ein gefährlicher und
böser Mensch sein, sein Gegner eigentlich nicht mehr sein konnte, war er
doch, wenigstens nach dem Bericht des Gemeindevorstehers, der Führer
derjenigen gewesen, welche, sei es auch aus politischen Gründen, die
Berufung eines Landvermessers verlangt hatten. K.s Ankunft im Dorf mußte
also für Brunswick willkommen sein; dann waren allerdings die ärgerliche
Begrüßung am ersten Tag und die Abneigung, von der Hans sprach, fast
unverständlich; vielleicht aber war Brunswick gerade deshalb gekränkt, weil
sich K. nicht zuerst an ihn um Hilfe gewendet hatte, vielleicht lag ein anderes
Mißverständnis vor, das durch ein paar Worte aufgeklärt werden konnte.
Wenn das aber geschehen war, dann konnte K. in Brunswick recht wohl einen
Rückhalt gegenüber dem Lehrer, ja sogar gegenüber dem Gemeindevorsteher
bekommen, der ganze amtliche Trug – was war es denn anderes? -, mit
welchem der Gemeindevorsteher und der Lehrer ihn von den Schloßbehörden
abhielten und in die Schuldienerstellung zwängten, konnte aufgedeckt
werden; kam es neuerlich zu einem um K. geführten Kampf zwischen
Brunswick und dem Gemeindevorsteher, mußte Brunswick K. an seine Seite
ziehen, K. würde Gast in Brunswicks Hause werden, Brunswicks Machtmittel
würden ihm zur Verfügung gestellt werden, dem Gemeindevorsteher zum
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik