Page - 124 - in Das Schloss
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worum ihn Hans beneide, es handle sich um seinen schönen Knotenstock, der
auf dem Tisch lag und mit dem Hans, zerstreut im Gespräch, gespielt hatte.
Nun, solche Stöcke verstehe K. herzustellen, und er werde, wenn ihr Plan
geglückt sei, Hans einen noch schöneren machen. Es war jetzt nicht mehr
ganz deutlich, ob nicht Hans wirklich nur den Stock gemeint hatte, so freute
er sich über K.s Versprechen und nahm fröhlichen Abschied, nicht ohne K.
fest die Hand zu drücken und zu sagen: »Also übermorgen.«
Es war höchste Zeit, daß Hans weggegangen war, denn kurz darauf riß der
Lehrer die Tür auf und schrie, als er K. und Frieda ruhig bei Tisch sitzen sah:
»Verzeiht die Störung! Aber sagt mir, wann wird endlich hier aufgeräumt
sein? Wir müssen drüben zusammengepfercht sitzen, der Unterricht leidet, ihr
aber dehnt und streckt euch hier im großen Turnzimmer, und um noch mehr
Platz zu haben, habt ihr auch noch die Gehilfen weggeschickt! Jetzt aber steht
wenigstens auf und rührt euch!« Und nur zu K.: »Du holst mir jetzt das
Gabelfrühstück aus dem Brückenhof!«
Das alles war wütend geschrien, aber die Worte waren verhältnismäßig
sanft, selbst das an sich grobe Du. K. war sofort bereit zu folgen; nur um den
Lehrer auszuhorchen, sagte er: »Ich bin doch gekündigt.« – »Gekündigt oder
nicht gekündigt, hol mir das Gabelfrühstück«, sagte der Lehrer. »Gekündigt
oder nicht gekündigt, das eben will ich wissen«, sagte K. »Was schwätzt du?«
sagte der Lehrer. »Du hast doch die Kündigung nicht angenommen.« – »Das
genügt, um sie unwirksam zu machen?« fragte K. »Mir nicht«, sagte der
Lehrer, »das darfst du mir glauben, wohl aber dem Gemeindevorsteher,
unbegreiflicherweise. Nun aber lauf, sonst fliegst du wirklich hinaus.« K. war
zufrieden, der Lehrer hatte also mit dem Gemeindevorsteher inzwischen
gesprochen oder vielleicht gar nicht gesprochen, sondern nur des
Gemeindevorstehers voraussichtliche Meinung sich zurechtgelegt, und diese
lautete zu K.s Gunsten. Nun wollte K. gleich um das Gabelfrühstück eilen,
aber noch aus dem Gang rief ihn der Lehrer wieder zurück; sei es, daß er die
Dienstwilligkeit K.s durch diesen besonderen Befehl nur hatte erproben
wollen, um sich danach weiterhin richten zu können, sei es, daß er nun wieder
neue Lust zum Kommandieren bekam und es ihn freute, K. eilig laufen und
dann auf seinen Befehl hin wie einen Kellner ebenso eilig wieder wenden zu
lassen. K. seinerseits wußte, daß er durch allzu großes Nachgeben sich zum
Sklaven und Prügeljungen des Lehrers machen würde, aber bis zu einer
gewissen Grenze wollte er jetzt die Launen des Lehrers geduldig hinnehmen,
denn wenn ihm auch der Lehrer, wie sich gezeigt hatte, rechtmäßig nicht
kündigen konnte, qualvoll bis zum Unerträglichen konnte er die Stellung
gewiß machen. Aber gerade an dieser Stellung lag jetzt K. mehr als früher.
Das Gespräch mit Hans hatte ihm neue, zugegebenermaßen
unwahrscheinliche, völlig grundlose, aber nicht mehr zu vergessende
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik