Page - 126 - in Das Schloss
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Hans zuerst ruhig zugehört habe, wie sie dann, durch einige Worte K.s
aufgeschreckt, schärfer den Sinn der Worte zu erfassen angefangen habe und
wie sie von nun ab nicht mehr habe aufhören können, in K.s Worten
Bestätigungen einer Mahnung zu hören, die sie der Wirtin verdanke, an deren
Berechtigung sie aber niemals hatte glauben wollen. K., ärgerlich über die
allgemeinen Redewendungen und selbst durch die tränenvolle, klagende
Stimme mehr gereizt als gerührt – vor allem, weil sich die Wirtin nun wieder
in sein Leben mischte, wenigstens durch Erinnerungen, da sie in Person bis
jetzt wenig Erfolg gehabt hatte -, warf das Holz, das er in den Armen trug, zu
Boden, setzte sich darauf und verlangte nun mit ernsten Worten völlige
Klarheit. »Schon öfters«, begann Frieda, »gleich anfangs, hat sich die Wirtin
bemüht, mich an dir zweifeln zu machen, sie behauptete nicht, daß du lügst,
im Gegenteil, sie sagte, du seist kindlich offen, aber dein Wesen sei so
verschieden von dem unseren, daß wir, selbst wenn du offen sprichst, dir zu
glauben uns schwer überwinden können, und wenn nicht eine gute Freundin
uns früher rettet, erst durch bittere Erfahrung zu glauben uns gewöhnen
müssen. Selbst ihr, die einen so scharfen Blick für Menschen hat, sei es kaum
anders ergangen. Aber nach dem letzten Gespräch mit dir im Brückenhof sei
sie – ich wiederhole nur ihre bösen Worte – auf deine Schliche gekommen,
jetzt könntest du sie nicht mehr täuschen, selbst wenn du dich anstrengtest,
deine Absichten zu verbergen. Aber du verbirgst ja nichts, das sagte sie
immer wieder, und dann sagte sie noch: Streng dich doch an, ihm bei
beliebiger Gelegenheit wirklich zuzuhören, nicht nur oberflächlich, nein,
wirklich zuzuhören. Nichts weiter als dieses habe sie getan und dabei
hinsichtlich meiner folgendes etwa herausgehört: Du hast dich an mich
herangemacht – sie gebrauchte dieses schmähliche Wort – nur deshalb, weil
ich dir zufällig in den Weg kam, dir nicht gerade mißfiel und weil du ein
Ausschankmädchen sehr irrigerweise für das vorbestimmte Opfer jedes die
Hand ausstreckenden Gastes hältst. Außerdem wolltest du, wie die Wirtin
vom Herrenhofwirt erfahren hat, aus irgendwelchen Gründen damals im
Herrenhof übernachten, und das war allerdings überhaupt nicht anders als
durch mich zu erlangen. Das alles wäre genügender Anlaß gewesen, dich zu
meinem Liebhaber für jene Nacht zu machen; damit aber mehr daraus würde,
brauchte es auch mehr, und dieses Mehr war Klamm. Die Wirtin behauptet
nicht zu wissen, was du von Klamm willst, sie behauptet nur, daß du, ehe du
mich kanntest, ebenso heftig zu Klamm strebtest wie nachher. Der
Unterschied habe nur darin bestanden, daß du früher hoffnungslos warst, jetzt
aber in mir ein zuverlässiges Mittel zu haben glaubtest, wirklich und bald und
sogar mit Überlegenheit zu Klamm vorzudringen. Wie erschrak ich – aber das
war nur erst flüchtig, ohne tieferen Grund -, als du heute einmal sagtest, ehe
du mich kanntest, wärest du hier in die Irre gegangen. Es sind vielleicht die
gleichen Worte, welche die Wirtin gebrauchte; auch sie sagt, daß du erst, seit
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik