Page - 127 - in Das Schloss
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du mich kanntest, zielbewußt geworden bist. Das sei daher gekommen, daß
du glaubtest, in mir eine Geliebte Klamms erobert zu haben und dadurch ein
Pfand zu besitzen, das nur zum höchsten Preise ausgelöst werden könne. Über
diesen Preis mit Klamm zu verhandeln, sei dein einziges Bestreben. Da dir an
mir nichts, am Preise alles liegt, seist du hinsichtlich meiner zu jedem
Entgegenkommen bereit, hinsichtlich des Preises hartnäckig. Deshalb ist es
dir gleichgültig, daß ich die Stelle im Herrenhof verliere, gleichgültig, daß ich
auch den Brückenhof verlassen muß, gleichgültig, daß ich die schwere
Schuldienerarbeit werde leisten müssen. Du hast keine Zärtlichkeit, ja nicht
einmal Zeit mehr für mich, du überläßt mich den Gehilfen, Eifersucht kennst
du nicht, mein einziger Wert für dich ist, daß ich Klamms Geliebte war, in
deiner Unwissenheit strengst du dich an, mich Klamm nicht vergessen zu
lassen, damit ich am Ende nicht zu sehr widerstrebe, wenn der entscheidende
Zeitpunkt gekommen ist; dennoch kämpfst du auch gegen die Wirtin, der
allein du es zutraust, daß sie mich dir entreißen könnte, darum triebst du den
Streit mit ihr auf die Spitze, um den Brückenhof mit mir verlassen zu müssen;
daß ich, soweit es nur an mir liegt, unter allen Umständen dein Besitz bin,
daran zweifelst du nicht. Die Unterredung mit Klamm stellst du dir als ein
Geschäft vor, bar gegen bar. Du rechnest mit allen Möglichkeiten;
vorausgesetzt, daß du den Preis erreichst, bist du bereit, alles zu tun; will
mich Klamm, wirst du mich ihm geben; will er, daß du bei mir bleibst, wirst
du bleiben, will er, daß du mich verstößt, wirst du mich verstoßen; aber du
bist auch bereit Komödie zu spielen, wird es vorteilhaft sein, so wirst du
vorgeben, mich zu lieben, seine Gleichgültigkeit wirst du dadurch zu
bekämpfen suchen, daß du deine Nichtigkeit hervorhebst und ihn durch die
Tatsache deiner Nachfolgerschaft beschämst, oder dadurch, daß du meine
Liebesgeständnisse hinsichtlich seiner Person, die ich ja wirklich gemacht
habe, ihm übermittelst und ihn bittest, er möge mich wieder aufnehmen, unter
Zahlung des Preises allerdings; und hilft nichts anderes, dann wirst du im
Namen des Ehepaares K. einfach betteln. Wenn du aber dann, so schloß die
Wirtin, sehen wirst, daß du dich in allem getäuscht hast, in deinen Annahmen
und in deinen Hoffnungen, in deiner Vorstellung von Klamm und seinen
Beziehungen zu mir, dann wird meine Hölle beginnen, denn dann werde ich
erst recht dein einziger Besitz sein, auf den du angewiesen bleibst, aber
zugleich ein Besitz, der sich als wertlos erwiesen hat und den du entsprechend
behandeln wirst, da du kein anderes Gefühl für mich hast als das des
Besitzers.«
Gespannt, mit zusammengezogenem Mund, hatte K. zugehört; das Holz unter
ihm war ins Rollen gekommen, er war fast auf den Boden geglitten, er hatte
es nicht beachtet; erst jetzt stand er auf setzte sich auf das Podium, nahm
Friedas Hand, die sich ihm schwach zu entziehen suchte, und sagte: »Ich habe
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik