Page - 131 - in Das Schloss
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so, wie wenn du um deine Lebensluft kämpftest.« – »Du hast mein Gespräch
mit Hans richtig aufgefaßt«, sagte K. »So war es wirklich. Ist aber denn dein
ganzes früheres Leben für dich so versunken (bis auf die Wirtin natürlich, die
sich nicht mit hinabstoßen läßt), daß du nicht mehr weißt, wie um das
Vorwärtskommen gekämpft werden muß, besonders wenn man von tief unten
herkommt? Wie alles benützt werden muß, was irgendwie Hoffnung gibt?
Und diese Frau kommt vom Schloß, sie selbst hat es mir gesagt, als ich mich
am ersten Tag zu Lasemann verirrte. Was lag näher, als sie um Rat oder sogar
um Hilfe zu bitten; kennt die Wirtin ganz genau nur alle Hindernisse, die von
Klamm abhalten, dann kennt diese Frau wahrscheinlich den Weg, sie ist ihn ja
selbst herabgekommen.« – »Den Weg zu Klamm?« fragte Frieda. »Zu
Klamm, gewiß, wohin denn sonst«, sagte K. Dann sprang er auf: »Nun aber
ist es höchste Zeit, das Gabelfrühstück zu holen.« Dringend, weit über den
Anlaß hinaus, bat ihn Frieda zu bleiben, so, wie wenn erst sein Bleiben alles
Tröstliche, was er ihr gesagt hatte, bestätigen würde. K. aber erinnerte an den
Lehrer, zeigte auf die Tür, die jeden Augenblick mit Donnerkrach aufspringen
könnte, versprach auch gleich zu kommen, nicht einmal einheizen müsse sie,
er selbst werde es besorgen. Schließlich fügte sich Frieda schweigend. Als K.
draußen durch den Schnee stapfte – längst schon hätte der Weg
freigeschaufelt sein sollen, merkwürdig, wie langsam die Arbeit
vorwärtsging -, sah er am Gitter einen der Gehilfen todmüde sich festhalten.
Nur einen, wo war der andere? Hatte K. also wenigstens die Ausdauer des
einen gebrochen? Der Zurückgebliebene war freilich noch eifrig genug bei
der Sache; das sah man, als er, durch den Anblick K.s belebt, sofort wilder
mit dem Armeausstrecken und dem sehnsüchtigen Augenverdrehen begann.
»Seine Unnachgiebigkeit ist musterhaft«, sagte sich K. und mußte allerdings
hinzufügen, »man erfriert mit ihr am Gitter.« Äußerlich hatte aber K. für den
Gehilfen nichts anderes als ein Drohen mit der Faust, das jede Annäherung
ausschloß, ja, der Gehilfe rückte ängstlich noch ein ansehnliches Stück
zurück. Eben öffnete Frieda ein Fenster, um, wie es mit K. besprochen war,
vor dem Einheizen zu lüften. Gleich ließ der Gehilfe von K. ab und schlich,
unwiderstehlich angezogen, zum Fenster. Das Gesicht verzerrt von
Freundlichkeit gegenüber dem Gehilfen und flehender Hilflosigkeit zu K. hin,
schwenkte sie ein wenig die Hand oben aus dem Fenster – es war nicht
einmal deutlich, ob es Abwehr oder Gruß war -, der Gehilfe ließ sich dadurch
im Näherkommen auch nicht beirren. Da schloß Frieda eilig das äußere
Fenster, blieb aber dahinter, die Hand auf der Klinke, mit zur Seite geneigtem
Kopf, großen Augen und einem starren Lächeln. Wußte sie, daß sie den
Gehilfen damit mehr lockte, als abschreckte? K. sah aber nicht mehr zurück,
er wollte sich lieber möglichst beeilen und bald zurückkommen.
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik