Page - 133 - in Das Schloss
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arbeiten gesehen, Kopf an Kopf, unbeweglich, jetzt sah man dort nur zwei
Kerzen flackern. Es war eine ernste, schweigsame Liebe, welche die beiden
verband; den Ton gab eben Gisa an, deren schwerfälliges Wesen zwar
manchmal, wild geworden, alle Grenzen durchbrach, die aber etwas
Ähnliches bei anderen zu anderer Zeit niemals geduldet hätte; so mußte sich
auch der lebhafte Schwarzer fügen, langsam gehen, langsam sprechen, viel
schweigen; aber er wurde für alles, das sah man, reichlich belohnt durch
Gisas einfache, stille Gegenwart. Dabei liebte ihn Gisa vielleicht gar nicht;
jedenfalls gaben ihre runden, grauen, förmlich niemals blinzelnden, eher in
den Pupillen scheinbar sich drehenden Augen auf solche Fragen keine
Antwort; nur daß sie Schwarzer ohne Widerspruch duldete, sah man, aber die
Ehrung, von einem Kastellanssohn geliebt zu werden, verstand sie gewiß
nicht zu würdigen, und ihren vollen, üppigen Körper trug sie unverändert
ruhig dahin, ob Schwarzer ihr mit den Blicken folgte oder nicht. Schwarzer
dagegen brachte ihr das ständige Opfer, daß er im Dorfe blieb; Boten des
Vaters, die ihn öfters abzuholen kamen, fertigte er so empört ab, als sei schon
die kurze, von ihnen verursachte Erinnerung an das Schloß und an seine
Sohnespflicht eine empfindliche, nicht zu ersetzende Störung seines Glückes.
Und doch hatte er eigentlich reichlich freie Zeit, denn Gisa zeigte sich ihm im
allgemeinen nur während der Unterrichtsstunden und beim Heftekorrigieren,
dies freilich nicht aus Berechnung, sondern weil sie die Bequemlichkeit und
deshalb das Alleinsein über alles liebte und wahrscheinlich am glücklichsten
war, wenn sie sich zu Hause in völliger Freiheit auf dem Kanapee ausstrecken
konnte, neben sich die Katze, die nicht störte, weil sie sich ja kaum mehr
bewegen konnte. So trieb sich Schwarzer einen großen Teil des Tages
beschäftigungslos herum, aber auch das war ihm lieb, denn immer hatte er
dabei die Möglichkeit, die er auch sehr oft ausnützte, in die Löwengasse zu
gehen, wo Gisa wohnte, zu ihrem Dachzimmerchen hinaufzusteigen, an der
immer versperrten Tür zu horchen und dann eiligst wieder wegzugehen,
nachdem er im Zimmer ausnahmslos die vollkommenste, unbegreiflichste
Stille festgestellt hatte. Immerhin zeigten sich doch auch bei ihm die Folgen
dieser Lebensweise manchmal – aber niemals in Gisas Gegenwart – in
lächerlichen Ausbrüchen auf Augenblicke wiedererwachten amtlichen
Hochmuts, der freilich gerade zu seiner gegenwärtigen Stellung schlecht
genug paßte; es ging dann allerdings meistens nicht sehr gut aus, wie es ja
auch K. erlebt hatte.
Erstaunlich war nur, daß man, wenigstens im Brückenhof, doch mit einer
gewissen Achtung von Schwarzer sprach, selbst wenn es sich um mehr
lächerliche als achtungswerte Dinge handelte, auch Gisa war in diese Achtung
mit eingeschlossen. Es war aber dennoch unrichtig, wenn Schwarzer als
Hilfslehrer K. außerordentlich überlegen zu sein glaubte, diese Überlegenheit
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik