Page - 158 - in Das Schloss
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loben ist dabei nichts. Amalia aber hat Sortini nicht geliebt, wendest du ein.
Nun ja, sie hat ihn nicht geliebt, aber vielleicht hat sie ihn doch geliebt, wer
kann das entscheiden? Nicht einmal sie selbst. Wie kann sie glauben, ihn
nicht geliebt zu haben, wenn sie ihn so kräftig abgewiesen hat, wie
wahrscheinlich noch niemals ein Beamter abgewiesen worden ist? Barnabas
sagt, daß sie noch jetzt manchmal zittert von der Bewegung, mit der sie vor
drei Jahren das Fenster zugeschlagen hat. Das ist auch wahr, und deshalb darf
man sie nicht fragen; sie hat mit Sortini abgeschlossen und weiß nichts mehr
als das; ob sie ihn liebt oder nicht, weiß sie nicht. Wir aber wissen, daß
Frauen nicht anders können, als Beamte lieben, wenn sich diese ihnen einmal
zuwenden; ja, sie lieben die Beamten schon vorher, sosehr sie es leugnen
wollen, und Sortini hat sich Amalia ja nicht nur zugewendet, sondern ist über
die Deichsel gesprungen, als er Amalia sah, mit den von der
Schreibtischarbeit steifen Beinen ist er über die Deichsel gesprungen. Aber
Amalia ist ja eine Ausnahme, wirst du sagen. Ja, das ist sie, das hat sie
bewiesen, als sie sich weigerte, zu Sortini zu gehen, das ist der Ausnahme
genug; daß sie nun aber außerdem Sortini auch nicht geliebt haben sollte, das
wäre nun schon der Ausnahme fast zuviel, das wäre gar nicht mehr zu fassen.
Wir waren ja gewiß an jenem Nachmittag mit Blindheit geschlagen, aber daß
wir damals durch allen Nebel etwas von Amalias Verliebtheit zu bemerken
glaubten, zeigte doch wohl noch etwas Besinnung. Wenn man aber das alles
zusammenhält, was bleibt dann für ein Unterschied zwischen Frieda und
Amalia? Einzig der, daß Frieda tat, was Amalia verweigert hat.« – »Mag
sein«, sagte K., »für mich aber ist der Hauptunterschied der, daß Frieda meine
Braut ist, Amalia aber mich im Grunde nur so weit bekümmert, als sie die
Schwester des Barnabas, des Schloßboten, ist und ihr Schicksal in den Dienst
des Barnabas vielleicht mit verflochten ist. Hätte ihr ein Beamter ein derart
schreiendes Unrecht getan, wie es nach deiner Erzählung anfangs mir schien,
hätte mich das sehr beschäftigt, aber auch dies viel mehr als öffentliche
Angelegenheit denn als persönliches Leid Amalias. Nun ändert sich aber nach
deiner Erzählung das Bild in einer mir zwar nicht ganz verständlichen, aber,
da du es bist, die erzählt, in einer genügend glaubwürdigen Weise, und ich
will diese Sache deshalb sehr gern völlig vernachlässigen, ich bin kein
Feuerwehrmann, was kümmert mich Sortini. Wohl aber kümmert mich
Frieda, und da ist es mir sonderbar, wie du, der ich völlig vertraute und gerne
immer vertrauen will, Frieda auf dem Umweg über Amalia immerfort
anzugreifen und mir verdächtig zu machen suchst. Ich nehme nicht an, daß du
das mit Absicht oder gar mit böser Absicht tust; sonst hätte ich doch schon
längst fortgehen müssen. Du tust es nicht mit Absicht, die Umstände verleiten
dich dazu; aus Liebe zu Amalia willst du sie hoch erhaben über alle Frauen
hinstellen, und da du in Amalia selbst zu diesem Zwecke nicht genug
Rühmenswertes findest, hilfst du dir damit, daß du andere Frauen
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik