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Kundschaften umzustimmen – und wir alle unterstützten ihn nach unseren
Kräften -, später gab es der Vater auf und half stillschweigend den Leuten
beim Suchen, im Auftragsbuch wurde Zeile für Zeile gestrichen, die
Ledervorräte, welche die Leute bei uns hatten, wurden herausgegeben,
Schulden bezahlt, alles ging ohne den geringsten Streit, man war zufrieden,
wenn es gelang, die Verbindung mit uns schnell und vollständig zu lösen,
mochte man dabei auch Verluste haben, das kam nicht in Betracht. Und
schließlich, was ja vorauszusehen war, erschien Seemann, der Obmann der
Feuerwehr; ich sehe die Szene noch vor mir: Seemann, groß und stark, aber
ein wenig gebeugt und lungenkrank, immer ernst, er kann gar nicht lachen,
steht vor meinem Vater, den er bewundert hat, dem er in vertrauten Stunden
die Stelle eines Obmannstellvertreters in Aussicht gestellt hat, und soll ihm
nun mitteilen, daß ihn der Verein verabschiedet und um Rückgabe des
Diploms ersucht. Die Leute, die gerade bei uns waren, ließen ihre Geschäfte
ruhen und drängten sich im Kreis um die zwei Männer. Seemann kann nichts
sagen, klopft nur immerfort dem Vater auf die Schulter, so, als wolle er dem
Vater die Worte ausklopfen, die er selbst sagen soll und nicht finden kann.
Dabei lacht er immerfort, wodurch er wohl sich und alle ein wenig beruhigen
will; aber da er nicht lachen kann und man ihn noch niemals lachen gehört,
fällt es niemandem ein zu glauben, daß das ein Lachen sei. Der Vater aber ist
von diesem Tag schon zu müde und verzweifelt, um jemandem helfen zu
können, ja, er scheint zu müde, um überhaupt nachzudenken, worum es sich
handelt. Wir waren ja alle in gleicher Weise verzweifelt, aber da wir jung
waren, konnten wir an einen solchen vollständigen Zusammenbruch nicht
glauben, immer dachten wir, daß in der Reihe der vielen Besucher endlich
doch jemand kommen werde, der Halt befiehlt und alles wieder zu einer
rückläufigen Bewegung zwingt. Seemann erschien uns in unserem
Unverstand dafür besonders geeignet. Mit Spannung warteten wir, daß sich
aus diesem fortwährenden Lachen endlich das klare Wort loslösen werde.
Worüber war denn jetzt zu lachen, doch nur über das dumme Unrecht, das uns
geschah. Herr Obmann, Herr Obmann, sagen Sie es doch endlich den Leuten,
dachten wir und drängten uns an ihn heran, was ihn aber nur zu
merkwürdigen Drehbewegungen veranlaßte. Endlich fing er, zwar nicht, um
unsere geheimen Wünsche zu erfüllen, sondern um den aufmunternden oder
ärgerlichen Zurufen der Leute zu entsprechen, doch zu reden an. Noch immer
hatten wir Hoffnung. Er begann mit großem Lob des Vaters. Nannte ihn eine
Zierde des Vereins, ein unerreichbares Vorbild des Nachwuchses, ein
unentbehrliches Mitglied, dessen Ausscheiden den Verein fast zerstören
müsse. Das war alles sehr schön; hätte er doch hier geendet! Aber er sprach
weiter. Wenn sich nun trotzdem der Verein entschlossen habe, den Vater,
vorläufig allerdings nur, um den Abschied zu ersuchen, werde man den Ernst
der Gründe erkennen, die den Verein dazu zwangen. Vielleicht hätte es ohne
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik