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Nun war es also doch geschehen, was vorauszusehen, aber nicht zu
verhindern gewesen war. Frieda hatte ihn verlassen. Es mußte nichts
Endgültiges sein, so schlimm war es nicht; Frieda war zurückzuerobern, sie
war leicht von Fremden zu beeinflussen, gar von diesen Gehilfen, welche
Friedas Stellung für ähnlich der ihren hielten und nun, da sie gekündigt
hatten, auch Frieda dazu veranlaßt hatten, aber K. mußte nur vor sie treten, an
alles erinnern, was für ihn sprach, und sie war wieder reuevoll die seine, gar
wenn er etwa imstande gewesen wäre, den Besuch bei den Mädchen durch
einen Erfolg zu rechtfertigen, den er ihnen verdankte. Aber trotz diesen
Überlegungen, mit welchen er sich wegen Frieda zu beruhigen suchte, war er
nicht beruhigt. Noch vor kurzem hatte er sich Olga gegenüber Friedas
gerühmt und sie seinen einzigen Halt genannt; nun, dieser Halt war nicht der
festeste, nicht der Eingriff eines Mächtigen war nötig, um K. Friedas zu
berauben, es genügte auch dieser nicht sehr appetitliche Gehilfe, dieses
Fleisch, das manchmal den Eindruck machte, als sei es nicht recht lebendig.
Jeremias hatte sich schon zu entfernen angefangen; K. rief ihn zurück.
»Jeremias«, sagte er, »ich will ganz offen zu dir sein, beantworte mir auch
ehrlich eine Frage. Wir sind ja nicht mehr im Verhältnis des Herrn und des
Dieners, worüber nicht nur du froh bist, sondern auch ich, wir haben also
keinen Grund, einander zu betrügen. Hier vor deinen Augen zerbreche ich die
Rute, die für dich bestimmt gewesen ist, denn nicht aus Angst vor dir habe ich
den Weg durch den Garten gewählt, sondern um dich zu überraschen und die
Rute einigemal an dir abzuziehen. Nun, nimm mir das nicht mehr übel, das ist
alles vorüber; wärest du nicht ein vom Amt mir aufgezwungener Diener,
sondern einfach ein Bekannter gewesen, wir hätten uns gewiß, wenn mich
auch dein Aussehen manchmal ein wenig stört, ausgezeichnet vertragen. Und
wir könnten ja auch das, was wir in dieser Hinsicht versäumt haben, jetzt
nachtragen.« – »Glaubst du?« sagte der Gehilfe und drückte gähnend die
müden Augen. »Ich könnte dir ja die Sache ausführlicher erklären, aber ich
habe keine Zeit, ich muß zu Frieda, das Kindchen wartet auf mich, sie hat den
Dienst noch nicht angetreten, der Wirt hat ihr auf mein Zureden – sie wollte
sich, wahrscheinlich, um zu vergessen, gleich in die Arbeit stürzen – noch
eine kleine Erholungszeit gegeben, die wollen wir doch wenigstens
miteinander verbringen. Was deinen Vorschlag betrifft, so habe ich gewiß
keinen Anlaß, dich zu belügen, aber ebensowenig, dir etwas anzuvertrauen.
Bei mir ist es nämlich anders als bei dir. Solange ich im Dienstverhältnis zu
dir stand, warst du mir natürlich eine sehr wichtige Person, nicht wegen
deiner Eigenschaften, sondern wegen des Dienstauftrags, und ich hätte alles
für dich getan, was du wolltest, jetzt aber bist du mir gleichgültig. Auch das
Zerbrechen der Rute rührt mich nicht, es erinnert mich nur daran, einen wie
rohen Herrn ich hatte, mich für dich einzunehmen ist es nicht geeignet.« –
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik