Page - 187 - in Das Schloss
Image of the Page - 187 -
Text of the Page - 187 -
»Du sprichst so mit mir«, sagte K., »wie wenn es ganz gewiß wäre, daß du
von mir niemals mehr etwas zu fürchten haben wirst. So ist es aber doch
eigentlich nicht. Du bist wahrscheinlich doch noch nicht frei von mir, so
schnell finden die Erledigungen hier nicht statt.« – »Manchmal noch
schneller«, warf Jeremias ein. »Manchmal«, sagte K., »nichts deutet aber
darauf hin, daß es diesmal geschehen ist, zumindest hast weder du, noch habe
ich eine schriftliche Erledigung in Händen. Das Verfahren ist also erst im
Gang, und ich habe durch meine Verbindungen noch gar nicht eingegriffen,
werde es aber tun. Fällt es ungünstig für dich aus, so hast du nicht sehr dafür
vorgearbeitet, dir deinen Herrn geneigt zu machen, und es war vielleicht sogar
überflüssig, die Weidenrute zu zerbrechen. Und Frieda hast du zwar
fortgeführt, wovon dir ganz besonders der Kamm geschwollen ist; aber bei
allem Respekt vor deiner Person – den ich habe, auch wenn du für mich
keinen mehr hast -, ein paar Worte, von mir an Frieda gerichtet, genügen, das
weiß ich, um die Lügen, mit denen du sie eingefangen hast, zu zerreißen. Und
nur Lügen konnten Frieda mir abwendig machen.« – »Diese Drohungen
schrecken mich nicht«, sagte Jeremias. »Du willst mich doch gar nicht zum
Gehilfen haben, du fürchtest mich doch als Gehilfen, du fürchtest Gehilfen
überhaupt, nur aus Furcht hast du den guten Artur geschlagen.« –
»Vielleicht«, sagte K. »Hat es deshalb weniger weh getan? Vielleicht werde
ich auf diese Weise meine Furcht vor dir noch öfters zeigen können. Sehe ich,
daß dir die Gehilfenschaft wenig Freude macht, macht es wiederum mir über
alle Furcht hinweg den größten Spaß, dich dazu zu zwingen. Und zwar werde
ich es mir diesmal angelegen sein lassen, dich allein, ohne Artur, zu
bekommen; ich werde dir dann mehr Aufmerksamkeit zuwenden können.« –
»Glaubst du«, sagte Jeremias, »daß ich auch nur die geringste Furcht vor dem
allen habe?« – »Ich glaube wohl«, sagte K., »ein wenig Furcht hast du gewiß
und, wenn du klug bist, viel Furcht. Warum wärst du denn sonst nicht schon
zu Frieda gegangen? Sag, hast du sie denn lieb?« – »Lieb?« sagte Jeremias.
»Sie ist ein gutes, kluges Mädchen, eine gewesene Geliebte Klamms, also
respektabel auf jeden Fall. Und wenn sie mich fortwährend bittet, sie von dir
zu befreien, warum sollte ich ihr den Gefallen nicht tun, besonders, da ich
damit doch auch dir kein Leid antue, der du mit den verfluchten
Barnabasschen dich getröstet hast.« »Nun sehe ich deine Angst«, sagte K.,
»eine ganz jämmerliche Angst, du versuchst mich durch Lügen einzufangen.
Frieda hat nur um eines gebeten: sie von den wildgewordenen, hündisch
lüsternen Gehilfen zu befreien; leider habe ich nicht Zeit gehabt, ihre Bitte
ganz zu erfüllen, und jetzt sind die Folgen meiner Versäumnis da.«
»Herr Landvermesser, Herr Landvermesser!« rief jemand durch die Gasse.
Es war Barnabas. Atemlos kam er an, vergaß aber nicht, sich vor K. zu
verbeugen. »Es ist mir gelungen«, sagte er. »Was ist gelungen?« fragte K.
187
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik