Page - 190 - in Das Schloss
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aber die Wirtin voraussichtlich auch weiterhin im Herrenhof dulden müssen,
denn die Herren aus dem Schloß weigerten sich, im Dorfe in
Amtsangelegenheiten den Herrenhof zu verlassen. Sie waren immer in Eile,
nur sehr wider Willen waren sie im Dorfe, über das unbedingt Notwendige
ihren Aufenthalt hier auszudehnen hatten sie nicht die geringste Lust, und es
konnte daher nicht von ihnen verlangt werden, nur mit Rücksicht auf den
Hausfrieden im Herrenhof, zeitweilig mit allen ihren Schriften über die Straße
in irgendein anderes Haus zu ziehen und so Zeit zu verlieren. Am liebsten
erledigten ja die Beamten die Amtssachen im Ausschank oder in ihrem
Zimmer, womöglich während des Essens oder vom Bett aus vor dem
Einschlafen oder morgens, wenn sie zu müde waren, aufzustehen, und sich im
Bett noch ein wenig strecken wollten. Dagegen schien die Frage der
Errichtung eines Wartegebäudes einer günstigen Lösung sich zu nähern,
freilich war es eine empfindliche Strafe für die Wirtin – man lachte ein wenig
darüber -, daß gerade die Angelegenheit des Wartegebäudes zahlreiche
Besprechungen nötig machte und die Gänge des Hauses kaum leer wurden.
Über all diese Dinge unterhielt man sich halblaut unter den Wartenden, K.
war es auffallend, daß zwar der Unzufriedenheit genug war, niemand aber
etwas dagegen einzuwenden hatte, daß Erlanger die Parteien mitten in der
Nacht berief. Er fragte danach und erhielt die Auskunft, daß man dafür
Erlanger sogar sehr dankbar sein müsse. Es sei ja ausschließlich sein guter
Wille und die hohe Auffassung, die er von seinem Amte habe, die ihn dazu
bewegten, überhaupt ins Dorf zu kommen; er könnte ja, wenn er wollte – und
es würde dies sogar den Vorschriften vielleicht besser entsprechen -,
irgendeinen unteren Sekretär schicken und von ihm die Protokolle aufnehmen
lassen. Aber er weigerte sich eben meistens, dies zu tun, wolle selbst alles
sehen und hören, müsse dann aber zu diesem Zweck seine Nächte opfern,
denn in seinem Amtsplan sei keine Zeit für Dorfreisen vorgesehen. K. wandte
ein, daß doch auch Klamm bei Tag ins Dorf komme und sogar mehrere Tage
hier bleibe; sei denn Erlanger, der doch nur Sekretär sei, oben
unentbehrlicher? Einige lachten gutmütig, andere schwiegen betreten, diese
letzteren bekamen das Übergewicht, und es wurde K. kaum geantwortet. Nur
einer sagte zögernd, natürlich sei Klamm unentbehrlich, im Schloß wie im
Dorf.
Da öffnete sich die Haustür und Momus erschien zwischen zwei
lampentragenden Dienern. »Die ersten, die zum Herrn Sekretär Erlanger
vorgelassen werden«, sagte er, »sind: Gerstäcker und K. Sind die beiden
hier?« Sie meldeten sich, aber noch vor ihnen schlüpfte Jeremias mit einem
»Ich bin hier Zimmerkellner«, von Momus lächelnd mit einem Schlag auf die
Schulter begrüßt, ins Haus. Ich werde auf Jeremias mehr achten müssen, sagte
sich K., wobei er sich dessen bewußt blieb, daß Jeremias wahrscheinlich viel
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik