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Kapitel
Da sah K., wie er ziellos umherblickte, weit in der Ferne an einer Wendung
des Ganges Frieda; sie tat, als erkenne sie ihn nicht, blickte nur starr auf ihn,
in der Hand trug sie eine Tasse mit leerem Geschirr. Er sagte dem Diener, der
aber gar nicht auf ihn achtete – je mehr man zu dem Diener sprach, desto
geistesabwesender schien er zu werden -, er werde gleich zurückkommen,
und lief zu Frieda. Bei ihr angekommen, faßte er sie bei den Schultern, so, als
ergreife er wieder von ihr Besitz, stellte einige belanglose Fragen und suchte
dabei prüfend in ihren Augen. Aber ihre starre Haltung löste sich kaum,
zerstreut versuchte sie einige Umstellungen des Geschirrs auf der Tasse und
sagte: »Was willst du denn von mir? Geh doch zu den – nun, du weißt ja, wie
sie heißen. Du kommst ja gerade von ihnen, ich kann es dir ansehen.« K.
lenkte schnell ab; die Aussprache sollte nicht so plötzlich kommen und bei
dem Bösesten, bei dem für ihn Ungünstigsten anfangen. »Ich dachte, du
wärest im Ausschank«, sagte er. Frieda sah ihn erstaunt an und fuhr ihm dann
sanft mit der einen Hand, die sie frei hatte, über Stirn und Wange. Es war, als
habe sie sein Aussehen vergessen und wollte es sich so wieder ins
Bewußtsein zurückrufen, auch ihre Augen hatten den verschleierten Ausdruck
des mühsam Sich-Erinnerns. »Ich bin für den Ausschank wieder
aufgenommen«, sagte sie dann langsam, als sei es unwichtig, was sie sage,
aber unter den Worten führte sie noch ein Gespräch mit K., und dies sei das
wichtigere. »Diese Arbeit taugt nicht für mich, die kann auch eine jede andere
besorgen; jede, die aufbetten und ein freundliches Gesicht machen kann und
die Belästigung durch die Gäste nicht scheut, sondern sie sogar noch
hervorruft, eine jede solche kann Stubenmädchen sein. Aber im Ausschank,
da ist es etwas anderes. Ich bin auch gleich wieder für den Ausschank
aufgenommen worden, obwohl ich ihn damals nicht sehr ehrenvoll verlassen
habe; freilich hatte ich jetzt Protektion. Aber der Wirt war glücklich, daß ich
Protektion hatte und es ihm deshalb leicht möglich war, mich wieder
aufzunehmen. Es war sogar so, daß man mich drängen mußte, den Posten
anzunehmen; wenn du bedenkst, woran mich der Ausschank erinnert, wirst du
es begreifen. Schließlich habe ich den Posten angenommen. Hier bin ich nur
aushilfsweise. Pepi hat gebeten, ihr nicht die Schande anzutun, sofort den
Ausschank verlassen zu müssen, wir haben ihr deshalb, weil sie doch fleißig
gewesen ist und alles so besorgt hat, wie es nur ihre Fähigkeiten erlaubt
haben, eine vierundzwanzigstündige Frist gegeben.« – »Das ist alles sehr gut
eingerichtet«, sagte K., »nur hast du einmal meinetwegen den Ausschank
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik