Page - 195 - in Das Schloss
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Familie überhaupt gehst und zurückkommst, den Geruch ihrer Stube in den
Kleidern, ist schon eine unerträgliche Schande für mich. Und du läufst aus der
Schule fort, ohne etwas zu sagen, und bleibst gar bei ihnen die halbe Nacht.
Und läßt, wenn man nach dir fragt, dich von den Mädchen verleugnen,
leidenschaftlich verleugnen, besonders von der unvergleichlich
Zurückhaltenden. Schleichst dich auf einem geheimen Weg aus dem Haus,
vielleicht gar, um den Ruf der Mädchen zu schonen, den Ruf jener Mädchen!
Nein, sprechen wir nicht mehr davon!« – »Von diesem nicht«, sagte K., »aber
von etwas anderem, Frieda. Von diesem ist ja auch nichts zu sagen. Warum
ich hingehen muß, weißt du. Es wird mir nicht leicht, aber ich überwinde
mich. Du solltest es mir nicht schwerer machen, als es ist. Heute dachte ich,
nur für einen Augenblick hinzugehen und nachzufragen, ob Barnabas, der
eine wichtige Botschaft schon längst hätte bringen sollen, endlich gekommen
ist. Er war nicht gekommen, aber er mußte, wie man mir versicherte und wie
es auch glaubwürdig war, sehr bald kommen. Ihn mir in die Schule
nachkommen lassen, wollte ich nicht, um dich durch seine Gegenwart nicht
zu belästigen. Die Stunden vergingen, und er kam leider nicht. Wohl aber kam
ein anderer, der mir verhaßt ist. Von ihm mich ausspionieren zu lassen, hatte
ich keine Lust und ging also durch den Nachbargarten, aber auch vor ihm
verbergen wollte ich mich nicht, sondern ging dann auf der Straße frei auf ihn
zu, mit einer sehr biegsamen Weidenrute, wie ich gestehe. Das ist alles,
darüber ist also weiter nichts zu sagen; wohl aber über etwas anderes. Wie
verhält es sich denn mit den Gehilfen, die zu erwähnen mir fast so widerlich
ist wie dir die Erwähnung jener Familie? Vergleiche dein Verhältnis zu ihnen
damit, wie ich mich zu der Familie verhalte. Ich verstehe deinen Widerwillen
gegenüber der Familie und kann ihn teilen. Nur um der Sache willen gehe ich
zu ihnen, fast scheint es mir manchmal, daß ich ihnen Unrecht tue, sie
ausnütze. Du und die Gehilfen dagegen! Du hast gar nicht in Abrede gestellt,
daß sie dich verfolgen, und hast eingestanden, daß es dich zu ihnen zieht. Ich
war dir nicht böse deshalb, habe eingesehen, daß hier Kräfte im Spiel sind,
denen du nicht gewachsen bist, war schon glücklich darüber, daß du dich
wenigstens wehrst, habe geholfen, dich zu verteidigen, und nur weil ich ein
paar Stunden darin nachgelassen habe im Vertrauen auf deine Treue,
allerdings auch in der Hoffnung, daß das Haus unweigerlich verschlossen ist,
die Gehilfen endgültig in die Flucht geschlagen sind – ich unterschätzte sie
noch immer, fürchte ich -, nur weil ich ein paar Stunden darin nachgelassen
habe und jener Jeremias, genau betrachtet, ein nicht sehr gesunder, ältlicher
Bursche, die Keckheit gehabt hat, ans Fenster zu treten, nur deshalb soll ich
dich, Frieda, verlieren und als Begrüßung zu hören bekommen: ›Es wird
keine Hochzeit geben.‹ Wäre ich es nicht eigentlich, der Vorwürfe machen
dürfte, und ich mache sie nicht, mache sie noch immer nicht.« Und wieder
schien es K. gut, Frieda ein wenig abzulenken, und er bat sie, ihm etwas zu
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik