Page - 197 - in Das Schloss
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aufgenommen, er wohnt nicht bei mir, sondern wir haben ein gemeinsames
Zimmer. « – »Trotz allem«, sagte K., »bedauere ich es nicht, die Gehilfen aus
dem Dienst getrieben zu haben. War das Verhältnis so, wie du es beschreibst,
deine Treue also nur durch die dienstliche Gebundenheit der Gehilfen
bedingt, dann war es gut, daß alles ein Ende nahm. Das Glück der Ehe
inmitten der zwei Raubtiere, die sich nur unter der Knute duckten, wäre nicht
sehr groß gewesen. Dann bin ich auch jener Familie dankbar, welche
unabsichtlich ihr Teil beigetragen hat, um uns zu trennen.« Sie schwiegen und
gingen wieder nebeneinander auf und ab, ohne daß zu unterscheiden gewesen
wäre, wer jetzt damit begonnen hätte. Frieda, nahe an K., schien ärgerlich,
daß er sie nicht wieder unter den Arm nahm. »Und so wäre alles in Ordnung«,
fuhr K. fort, »und wir könnten Abschied nehmen, du zu deinem Herrn
Jeremias gehen, der wahrscheinlich noch vom Schulgarten her verkühlt ist
und den du mit Rücksicht darauf schon viel zu lange allein gelassen hast, und
ich allein in die Schule oder, da ich ja ohne dich dort nichts zu tun habe, sonst
irgendwohin, wo man mich aufnimmt. Wenn ich nun trotzdem zögere, so
deshalb, weil ich aus gutem Grund noch immer ein wenig daran zweifle, was
du mir erzählt hast. Ich habe von Jeremias den gegenteiligen Eindruck.
Solange er im Dienst war, ist er hinter dir her gewesen, und ich glaube nicht,
daß der Dienst ihn auf die Dauer zurückgehalten hätte, dich einmal ernstlich
zu überfallen. Jetzt aber, seit er den Dienst für aufgehoben ansieht, ist es
anders. Verzeih, wenn ich es mir auf folgende Weise erkläre: Seit du nicht
mehr die Braut seines Herrn bist, bist du keine solche Verlockung mehr für
ihn wie früher. Du magst seine Freundin aus der Kinderzeit sein, doch legt er
– ich kenne ihn eigentlich nur aus einem kurzen Gespräch heute nacht –
solchen Gefühlsdingen meiner Meinung nach nicht viel Wert bei. Ich weiß
nicht, warum er dir als ein leidenschaftlicher Charakter erscheint. Seine
Denkweise scheint mir eher besonders kühl. Er hat in bezug auf mich
irgendeinen, mir vielleicht nicht sehr günstigen Auftrag von Galater
bekommen, diesen strengt er sich an auszuführen, mit einer gewissen
Dienstleidenschaft, wie ich zugeben will – sie ist hier nicht allzu selten -, dazu
gehört, daß er unser Verhältnis zerstört; er hat es vielleicht auf verschiedene
Weise versucht, eine davon war die, daß er dich durch sein lüsternes
Schmachten zu verlocken suchte, eine andere – hier hat ihn die Wirtin
unterstützt -, daß er von meiner Untreue fabelte, sein Anschlag ist ihm
gelungen, irgendeine Erinnerung an Klamm, die ihn umgibt, mag mitgeholfen
haben, den Posten hat er zwar verloren, aber vielleicht gerade in dem
Augenblick, in dem er ihn nicht mehr benötigte, jetzt erntet er die Früchte
seiner Arbeit und zieht dich aus dem Schulfenster, damit ist aber seine Arbeit
beendet und, von der Dienstleidenschaft verlassen, wird er müde, er wäre
lieber an Stelle Arturs, der gar nicht klagt, sondern sich Lob und neue
Aufträge holt, aber es muß doch auch jemand zurückbleiben, der die weitere
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik