Page - 198 - in Das Schloss
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Entwicklung der Dinge verfolgt. Eine etwas lästige Pflicht ist es ihm, dich zu
versorgen. Von Liebe zu dir ist keine Spur, er hat es mir offen gestanden, als
Geliebte Klamms bist du ihm natürlich respektabel, und in deinem Zimmer
sich einzunisten und sich einmal als kleiner Klamm zu fühlen, tut ihm gewiß
sehr wohl, das aber ist alles, du selbst bedeutest ihm jetzt nichts, nur ein
Nachtrag zu seiner Hauptaufgabe ist es ihm, daß er dich hier untergebracht
hat; um dich nicht zu beunruhigen, ist er auch selbst geblieben, aber nur
vorläufig, solange er nicht neue Nachrichten vom Schloß bekommt und seine
Verkühlung von dir nicht auskuriert ist.« »Wie du ihn verleumdest!« sagte
Frieda und schlug ihre kleinen Fäuste aneinander. »Verleumden?« sagte K.
»Nein, ich will ihn nicht verleumden. Wohl aber tue ich ihm vielleicht
Unrecht, das ist freilich möglich. Ganz offen an der Oberfläche liegt es ja
nicht, was ich über ihn gesagt habe; es läßt sich auch anders deuten. Aber
verleumden? Verleumden könnte doch nur den Zweck haben, damit gegen
deine Liebe zu ihm anzukämpfen. Wäre es nötig und wäre Verleumdung ein
geeignetes Mittel, ich würde nicht zögern, ihn zu verleumden. Niemand
könnte mich deshalb verurteilen, er ist durch seine Auftraggeber in solchem
Vorteil mir gegenüber, daß ich, ganz allein auf mich angewiesen, auch ein
wenig verleumden dürfte. Es wäre ein verhältnismäßig unschuldiges und
letzten Endes ja auch ohnmächtiges Verteidigungsmittel. Laß also die Fäuste
ruhen.« Und K. nahm Friedas Hand in die seine; Frieda wollte sie ihm
entziehen, aber lächelnd und nicht mit großer Kraftanstrengung. »Aber ich
muß nicht verleumden«, sagte K., »denn du liebst ihn ja nicht, glaubst es nur
und wirst mir dankbar sein, wenn ich dich von der Täuschung befreie. Sieh,
wenn jemand dich von mir fortbringen wollte, ohne Gewalt, aber mit
möglichst sorgfältiger Berechnung, dann müßte er es durch die beiden
Gehilfen tun. Scheinbar gute, kindliche, lustige, verantwortungslose, von
hoch her, vom Schloß hergeblasene Jungen, ein wenig Kindheitserinnerung
auch dabei, das ist doch schon alles sehr liebenswert, besonders, wenn ich
etwa das Gegenteil von alledem bin, dafür immerfort hinter Geschäften
herlaufe, die dir nicht ganz verständlich, die dir ärgerlich sind, die mich mit
Leuten zusammenbringen, die dir hassenswert sind und etwas davon bei aller
meiner Unschuld auch auf mich übertragen. Das Ganze ist nur eine bösartige,
allerdings sehr kluge Ausnützung der Mängel unseres Verhältnisses. Jedes
Verhältnis hat seine Mängel, gar unseres, wir kamen ja jeder aus einer ganz
anderen Welt zusammen, und seit wir einander kennen, nahm das Leben eines
jeden von uns einen ganz neuen Weg, wir fühlen uns noch unsicher, es ist
doch allzu neu. Ich rede nicht von mir, das ist nicht so wichtig, ich bin ja im
Grunde immerfort beschenkt worden, seit du deine Augen zum erstenmal mir
zuwandtest; und an das Beschenktwerden sich gewöhnen, ist nicht schwer. Du
aber, von allem anderen abgesehen, wurdest von Klamm losgerissen; ich kann
nicht ermessen, was das bedeutet, aber eine Ahnung dessen habe ich doch
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik