Page - 200 - in Das Schloss
Image of the Page - 200 -
Text of the Page - 200 -
war, als erkenne er K. erst jetzt. »Ah, der Herr Landvermesser«, sagte er,
Frieda, die keine Unterhaltung mehr zulassen wollte, zur Begütigung die
Wange streichelnd. »Verzeihen Sie die Störung. Mir ist aber gar nicht wohl,
das entschuldigt doch. Ich glaube, ich fiebere, ich muß einen Tee haben und
schwitzen. Das verdammte Gitter im Schulgarten, daran werde ich wohl noch
zu denken haben, und jetzt, schon verkühlt, bin ich noch in der Nacht
herumgelaufen. Man opfert, ohne es gleich zu merken, seine Gesundheit für
Dinge, die es wahrhaftig nicht wert sind. Sie aber, Herr Landvermesser,
müssen sich durch mich nicht stören lassen, kommen Sie zu uns ins Zimmer
herein, machen Sie einen Krankenbesuch und sagen Sie dabei Frieda, was
noch zu sagen ist. Wenn zwei, die aneinander gewöhnt sind,
auseinandergehen, haben sie natürlich in den letzten Augenblicken so viel zu
sagen, daß das ein dritter, gar wenn er im Bett liegt und auf den
versprochenen Tee wartet, unmöglich begreifen kann. Aber kommen Sie nur
herein, ich werde ganz still sein.« – »Genug, genug«, sagte Frieda und zerrte
an seinem Arm. »Er fiebert und weiß nicht, was er spricht. Du aber, K., geh
nicht mit, ich bitte dich. Es ist mein und des Jeremias Zimmer oder vielmehr
nur mein Zimmer, ich verbiete dir, mit hineinzugehen. Du verfolgst mich, ach
K., warum verfolgst du mich? Niemals, niemals werde ich zu dir
zurückkommen, ich schaudere, wenn ich an eine solche Möglichkeit denke.
Geh doch zu deinen Mädchen; im bloßen Hemd sitzen sie auf der Ofenbank
zu deinen Seiten, wie man mir erzählt hat, und wenn jemand kommt, dich
abzuholen, fauchen sie ihn an. Wohl bist du dort zu Hause, wenn es dich gar
so sehr hinzieht. Ich habe dich immer von dort abgehalten, mit wenig Erfolg,
aber immerhin abgehalten, das ist vorüber, du bist frei. Ein schönes Leben
steht dir bevor, wegen der einen wirst du vielleicht mit den Knechten ein
wenig kämpfen müssen, aber was die zweite betrifft, gibt es niemanden im
Himmel und auf Erden, der sie dir mißgönnt. Der Bund ist von vornherein
gesegnet. Sag nichts dagegen, gewiß, du kannst alles widerlegen, aber zum
Schluß ist gar nichts widerlegt. Denk nur, Jeremias, er hat alles widerlegt!«
Sie verständigten sich durch Kopfnicken und Lächeln. »Aber«, fuhr Frieda
fort, »angenommen, er hätte alles widerlegt, was wäre damit erreicht, was
kümmert es mich? Wie es dort bei jenen zugehen mag, ist völlig ihre und
seine Sache, meine nicht. Meine ist es, dich zu pflegen, so lange, bis du
wieder gesund wirst, wie du’s einstmals warst, ehe dich K. meinetwegen
quälte.« – »Sie kommen also wirklich nicht mit, Herr Landvermesser?« fragte
Jeremias, wurde aber nun von Frieda, die sich gar nicht mehr nach K.
umdrehte, endgültig fortgezogen. Man sah unten eine kleine Tür, noch
niedriger als die Türen hier im Gange – nicht nur Jeremias, auch Frieda mußte
sich beim Hineingehen bücken -, innen schien es hell und warm zu sein; man
hörte noch ein wenig flüstern, wahrscheinlich liebreiches Überreden um
Jeremias ins Bett zu bringen, dann wurde die Tür geschlossen.
200
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik