Page - 214 - in Das Schloss
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ging, vom Diener gefolgt, schnell, aber ein wenig hinkend, den Gang hinab.
Manchmal wurden hier Befehle gegeben, die sehr leicht zu erfüllen waren,
aber diese Leichtigkeit freute K. nicht. Nicht nur, weil der Befehl Frieda
betraf, und zwar als Befehl gemeint war, aber K. wie ein Verlachen klang,
sondern vor allem deshalb, weil aus ihm für K. die Nutzlosigkeit aller seiner
Bestrebungen entgegensah. Über ihn hinweg gingen die Befehle, die
ungünstigen und die günstigen, und auch die günstigen hatten wohl einen
letzten ungünstigen Kern, jedenfalls aber gingen alle über ihn hinweg, und er
war viel zu tief gestellt, um in sie einzugreifen oder gar sie verstummen zu
machen und für seine Stimme Gehör zu bekommen. Wenn dir Erlanger
abwinkt, was willst du tun; und wenn er nicht abwinkte, was könntest du ihm
sagen? Zwar blieb sich K. dessen bewußt, daß seine Müdigkeit ihm heute
mehr geschadet hatte als alle Ungunst der Verhältnisse, aber warum konnte er,
der geglaubt hatte, sich auf seinen Körper verlassen zu können, und der ohne
diese Überzeugung sich gar nicht auf den Weg gemacht hätte, warum konnte
er einige schlechte und eine schlaflose Nacht nicht ertragen, warum wurde er
gerade hier so unbeherrschbar müde, wo niemand müde war, oder wo
vielmehr jeder, und immerfort, müde war, ohne daß dies die Arbeit schädigte;
ja, es schien sie vielmehr zu fördern. Daraus war zu schließen, daß es in ihrer
Art eine ganz andere Müdigkeit war als jene K.s. Hier war es wohl die
Müdigkeit inmitten glücklicher Arbeit; etwas, was nach außen hin wie
Müdigkeit aussah und eigentlich unzerstörbare Ruhe, unzerstörbarer Frieden
war. Wenn man mittags ein wenig müde ist, so gehört das zum glücklichen
natürlichen Verlauf des Tages. Die Herren hier haben immerfort Mittag, sagte
sich K.
Und es stimmte sehr damit überein, daß es jetzt um fünf Uhr schon überall
zu seiten des Ganges lebendig wurde. Dieses Stimmengewirr in den Zimmern
hatte etwas äußerst Fröhliches. Einmal klang es wie der Jubel von Kindern,
die sich zu einem Ausflug bereitmachen, ein andermal wie der Aufbruch im
Hühnerstall, wie die Freude, in völliger Übereinstimmung mit dem
erwachenden Tag zu sein, irgendwo ahmte sogar ein Herr den Ruf eines
Hahnes nach. Der Gang selbst war zwar noch leer, aber die Türen waren
schon in Bewegung, immer wieder wurde eine ein wenig geöffnet und schnell
wieder geschlossen, es schwirrte im Gang von solchem Türöffnen und -
schließen, hie und da sah K. auch schon oben im Spalt der nicht bis zur Decke
reichenden Wände morgendlich zerraufte Köpfe erscheinen und gleich
verschwinden. Aus der Ferne kam langsam ein kleines, von einem Diener
geführtes Wägelchen, welches Akten enthielt. Ein zweiter Diener ging
daneben, hatte ein Verzeichnis in der Hand und verglich danach offenbar die
Nummern der Türen mit jenen der Akten. Vor den meisten der Türen blieb
das Wägelchen stehen, gewöhnlich öffnete sich dann auch die Tür, und die
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik