Page - 227 - in Das Schloss
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steigen. Und sie hatte sich zurechtgelegt, sie werde auf alles verzichten und
sich zu ihm hinabwenden und ihn wahre Liebe lehren, die er bei Frieda nie
erfahren könnte und die unabhängig ist von allen Ehrenstellungen der Welt.
Aber dann ist es anders gekommen. Und was war daran schuld? K. vor allem
und dann freilich Friedas Durchtriebenheit. K. vor allem; denn was will er,
was ist er für ein sonderbarer Mensch? Wonach strebt er, was sind das für
wichtige Dinge, die ihn beschäftigen und die ihn das Allernächste, das
Allerbeste, das Allerschönste vergessen lassen? Pepi ist das Opfer, und alles
ist dumm, und alles ist verloren; und wer die Kraft hätte, den ganzen
Herrenhof anzuzünden und zu verbrennen, aber vollständig, daß keine Spur
zurückbleibt, verbrennen wie ein Papier im Ofen, der wäre heute Pepis
Auserwählter. Ja, Pepi kam also in den Ausschank, heute vor vier Tagen, kurz
vor dem Mittagessen. Es ist keine leichte Arbeit hier, es ist fast eine
menschenmordende Arbeit, aber was zu erreichen ist, ist auch nicht klein.
Pepi hatte auch früher nicht in den Tag hineingelebt, und wenn sie auch
niemals in kühnsten Gedanken diese Stelle für sich in Anspruch genommen
hätte, so hatte sie doch reichlich Beobachtungen gemacht, wußte, was es mit
dieser Stelle auf sich hatte, unvorbereitet hatte sie die Stelle nicht
übernommen. Unvorbereitet kann man sie gar nicht übernehmen, sonst
verliert man sie in den ersten Stunden. Gar wenn man sich nach Art der
Zimmermädchen hier aufführen wollte! Als Zimmermädchen kommt man
sich ja mit der Zeit ganz verloren und vergessen vor; es ist eine Arbeit wie in
einem Bergwerk, wenigstens im Gang der Sekretäre ist es so, tagelang sieht
man dort bis auf wenige Tagesparteien, die hin und her huschen und nicht
aufzuschauen wagen, keinen Menschen außer den zwei, drei anderen
Zimmermädchen, und die sind ähnlich verbittert. Des Morgens darf man
überhaupt nicht aus dem Zimmer, da wollen die Sekretäre allein unter sich
sein, das Essen bringen ihnen die Knechte aus der Küche, damit haben die
Zimmermädchen gewöhnlich nichts zu tun, auch während der Essenszeit darf
man sich nicht auf dem Gang zeigen. Nur während die Herren arbeiten,
dürfen die Zimmermädchen aufräumen, aber natürlich nicht in den
bewohnten, nur in den gerade leeren Zimmern, und die Arbeit muß ganz leise
geschehen, damit die Arbeit der Herren nicht gestört wird. Aber wie ist es
möglich, leise aufzuräumen, wenn die Herren mehrere Tage lang in den
Zimmern wohnen, überdies auch die Knechte, dieses schmutzige Pack, drin
herumhantieren, und das Zimmer, wenn es endlich dem Zimmermädchen
freigegeben ist, in einem solchen Zustand ist, daß nicht einmal eine Sintflut es
reinwaschen könnte. Wahrhaftig, es sind hohe Herren, aber man muß kräftig
seinen Ekel überwinden, um nach ihnen aufräumen zu können. Die
Zimmermädchen haben ja nicht übermäßig viel Arbeit, aber kernige. Und
niemals ein gutes Wort, immer nur Vorwürfe, besonders dieser quälendste und
häufigste: daß beim Aufräumen Akten verlorengegangen sind. In Wirklichkeit
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik