Page - 229 - in Das Schloss
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der Herren, welche in reinen Kleidern auch nur zu betreten Leichtsinn und
Verschwendung ist. Und immer in dem künstlichen Licht und in der dumpfen
Luft – es wird immerfort geheizt – und eigentlich immer müde. Den einen
freien Nachmittag in der Woche verbringt man am besten, indem man ihn in
irgendeinem Verschlag in der Küche ruhig und angstlos verschläft. Wozu sich
also schmücken? Ja, man zieht sich kaum an. Und nun wurde Pepi plötzlich in
den Ausschank versetzt, wo, vorausgesetzt daß man sich dort behaupten
wollte, gerade das Gegenteil nötig war, wo man immer unter den Augen der
Leute war, und darunter sehr verwöhnter und aufmerksamer Herren, und so
man daher immer möglichst fein und angenehm aussehen mußte. Nun, das
war eine Wendung. Und Pepi darf von sich sagen, daß sie nichts versäumt hat.
Wie es sich später gestalten würde, das machte Pepi nicht besorgt. Daß sie die
Fähigkeiten hatte, welche für diese Stelle nötig waren, das wußte sie, dessen
war sie ganz gewiß, diese Überzeugung hat sie auch noch jetzt, und niemand
kann sie ihr nehmen, auch heute, am Tage ihrer Niederlage nicht. Nur, wie sie
sich in der allerersten Zeit bewähren würde, das war schwierig, weil sie doch
ein armes Zimmermädchen war, ohne Kleider und Schmuck, und weil die
Herren nicht die Geduld haben zu warten, wie man sich entwickelt, sondern
gleich ohne Übergang ein Ausschankmädchen haben wollen, wie es sich
gebührt, sonst wenden sie sich ab. Man sollte denken, ihre Ansprüche wären
gar nicht groß, da doch Frieda sie befriedigen konnte. Das ist aber nicht
richtig. Pepi hat oft darüber nachgedacht, ist ja auch öfter mit Frieda
zusammengekommen und hat eine Zeitlang mit ihr geschlafen. Es ist nicht
leicht, Frieda auf die Spur zu kommen, und wer nicht sehr acht gibt – und
welche Herren geben denn sehr acht? -, ist von ihr gleich irregeführt.
Niemand weiß genauer als Frieda selbst, wie kläglich sie aussieht, wenn man
sie zum Beispiel zum erstenmal ihre Haare auflösen sieht, schlägt man vor
Mitleid die Hände zusammen, ein solches Mädchen dürfte, wenn es rechtlich
zuginge, nicht einmal Zimmermädchen sein; sie weiß es auch, und manche
Nacht hat sie darüber geweint, sich an Pepi gedrückt und Pepis Haare um den
eigenen Kopf gelegt. Aber wenn sie im Dienst ist, sind alle Zweifel
verschwunden, sie hält sich für die Allerschönste, und jedem weiß sie es auf
die richtige Weise einzuflößen. Sie kennt die Leute, und das ist ihre
eigentliche Kunst. Und lügt schnell und betrügt, damit die Leute nicht Zeit
haben, sie genauer anzusehen. Natürlich genügt das nicht auf die Dauer, die
Leute haben doch Augen, und die würden schließlich recht behalten. Aber in
dem Augenblick, wo sie eine solche Gefahr merkt, hat sie schon ein anderes
Mittel bereit, in der letzten Zeit zum Beispiel ihr Verhältnis mit Klamm! Ihr
Verhältnis mit Klamm! Glaubst du nicht daran, kannst du es ja nachprüfen;
geh zu Klamm und frag ihn. Wie schlau, wie schlau. Und wenn du etwa nicht
wagen solltest, wegen einer solchen Anfrage zu Klamm zu gehen und
vielleicht mit unendlich wichtigeren Anfragen nicht vorgelassen werden
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik