Page - 236 - in Das Schloss
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Unterhaltung gehabt, wenn sie oben im Korridor Pepi in der Nische, beide
Hände am Herzen, hätte sehen können. Klamm kam nicht herunter, weil
Frieda es nicht zuließ. Nicht durch ihre Bitten hat sie das bewirkt, ihre Bitten
dringen nicht zu Klamm. Aber sie hat, diese Spinne, Verbindungen, von
denen niemand etwas weiß. Wenn Pepi einem Gast etwas sagt, sagt sie es
offen, auch der Nebentisch kann es hören. Frieda hat nichts zu sagen, sie stellt
das Bier auf den Tisch und geht; nur ihr seidener Unterrock, das einzige,
wofür sie Geld ausgibt, rauscht. Wenn sie aber einmal etwas sagt, dann nicht
offen, dann flüstert sie es dem Gast zu, bückt sich hinab, daß man am
Nachbartisch die Ohren spitzt. Was sie sagt, ist ja wahrscheinlich belanglos,
aber doch nicht immer, Verbindungen hat sie, stützt die einen durch die
anderen, und mißlingen die meisten – wer würde sich dauernd um Frieda
kümmern? -, hält hie und da doch eine fest. Diese Verbindungen begann sie
jetzt auszunützen. K. gab ihr die Möglichkeit dazu, statt bei ihr zu sitzen und
sie zu bewachen, hält er sich kaum zu Hause auf, wandert herum, hat
Besprechungen hier und dort, für alles hat er Aufmerksamkeit, nur nicht für
Frieda, und um ihr schließlich noch mehr Freiheit zu geben, übersiedelt er aus
dem Brückenhof in die leere Schule. Das alles ist ja ein schöner Anfang der
Flitterwochen. Nun, Pepi ist gewiß die letzte, die K. Vorwürfe deshalb
machen wird, daß er es nicht bei Frieda ausgehalten hat; man kann es bei ihr
nicht aushalten. Aber warum hat er sie dann nicht ganz verlassen, warum ist
er immer wieder zu ihr zurückgekehrt, warum hat er durch seine
Wanderungen den Anschein erweckt, daß er für sie kämpft? Es sah ja aus, als
habe er erst durch die Berührung mit Frieda seine tatsächliche Nichtigkeit
entdeckt, wolle sich Friedas würdig machen, wolle sich irgendwie
hinaufhaspeln, verzichte deshalb vorläufig auf das Beisammensein, um sich
später ungestört für die Entbehrungen entschädigen zu dürfen. Inzwischen
verliert Frieda nicht die Zeit, sie sitzt in der Schule, wohin sie ja K.
wahrscheinlich gelenkt hat, und beobachtet den Herrenhof und beobachtet K.
Boten hat sie ausgezeichnete zur Hand: K.s Gehilfen, die ihr – man begreift es
nicht, selbst wenn man K. kennt, begreift man’s nicht – K. gänzlich überläßt.
Sie schickt sie zu ihren alten Freunden, bringt sich in Erinnerung, klagt
darüber, daß sie von einem Mann wie K. gefangengehalten ist, hetzt, gegen
Pepi, verkündet ihre baldige Ankunft, bittet um Hilfe, beschwört, Klamm
nichts zu verraten, tut so, als müsse Klamm geschont werden und dürfe daher
auf keinen Fall in den Ausschank hinuntergelassen werden. Was sie dem
einen gegenüber als Schonung Klamms ausgibt, nützt sie dem Wirt gegenüber
als ihren Erfolg aus, macht darauf aufmerksam, daß Klamm nicht mehr
kommt. Wie könnte er denn kommen, wenn unten nur eine Pepi bedient?
Zwar hat der Wirt keine Schuld, diese Pepi war immerhin noch der beste
Ersatz, der zu finden war, nur genügt er nicht, nicht einmal für ein paar Tage.
Von dieser ganzen Tätigkeit Friedas weiß K. nichts; wenn er nicht
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik