Page - 238 - in Das Schloss
Image of the Page - 238 -
Text of the Page - 238 -
Wirt, mit einem Seitenblick auf Pepi, zögert – soll er sie opfern, die sich so
bewährt hat? -, aber bald ist er überredet, zuviel spricht für Frieda und vor
allem, sie wird ja Klamm für die Gastzimmer zurückgewinnen. Dabei halten
wir jetzt, abends. Pepi wird nicht warten, bis Frieda kommt und aus der
Übernahme der Stelle einen Triumph macht. Die Kasse hat sie der Wirtin
schon übergeben, sie kann gehen. Das Bettfach unten in dem
Mädchenzimmer ist für sie bereit, sie wird hinkommen, von den weinenden
Freundinnen begrüßt, wird sich das Kleid vom Leib, die Bänder aus den
Haaren reißen und alles in einen Winkel stopfen, wo es gut verborgen ist und
nicht unnötig an Zeiten erinnert, die vergessen bleiben sollen. Dann wird sie
den großen Eimer und den Besen nehmen, die Zähne zusammenbeißen und an
die Arbeit gehen. Vorläufig aber mußte sie noch alles K. erzählen, damit er,
der ohne Hilfe auch jetzt dies noch nicht erkannt hätte, einmal deutlich sieht,
wie häßlich er an Pepi gehandelt und wie unglücklich er sie gemacht habe.
Freilich, auch er ist dabei nur mißbraucht worden.
Pepi hatte geendet. Sie wischte sich aufatmend ein paar Tränen von den
Augen und Wangen und sah dann K. kopfnickend an, so, als wolle sie sagen,
im Grunde handle es sich gar nicht um ihr Unglück, sie werde es tragen und
brauche hierzu weder Hilfe noch Trost irgend jemandes und K.s am
wenigsten, sie kenne trotz ihrer Jugend das Leben, und ihr Unglück sei nur
eine Bestätigung ihrer Kenntnisse, aber um K. handle es sich, ihm habe sie
ein Bild vorhalten wollen, noch nach dem Zusammenbrechen aller ihrer
Hoffnungen habe sie das zu tun für nötig gehalten. »Was für eine wilde
Phantasie du hast, Pepi«, sagte K. »Es ist ja gar nicht wahr, daß du erst jetzt
alle diese Dinge entdeckt hast; das ist ja nichts anderes als Träume aus
euerem dunklen, engen Mädchenzimmer unten, die dort an ihrem Platz sind,
hier aber, im freien Ausschank, sich sonderbar ausnehmen. Mit solchen
Gedanken konntest du dich hier nicht behaupten, das ist ja selbstverständlich.
Schon dein Kleid und deine Frisur, deren du dich so rühmst, sind nur
Ausgeburten jenes Dunkels und jener Betten in euerem Zimmer, dort sind sie
gewiß sehr schön, hier aber lacht jeder im geheimen oder offen darüber. Und
was erzählst du sonst? Ich sei also mißbraucht und betrogen worden? Nein,
liebe Pepi, ich bin so wenig mißbraucht und betrogen worden wie du. Es ist
richtig, Frieda hat mich gegenwärtig verlassen oder ist, wie du es ausdrückst,
mit einem Gehilfen durchgebrannt, einen Schimmer der Wahrheit siehst du,
und es ist auch wirklich sehr unwahrscheinlich, daß sie noch meine Frau
werden wird, aber es ist ganz und gar unwahr, daß ich ihrer überdrüssig
geworden wäre oder sie gar am nächsten Tag schon verjagt hätte oder daß sie
mich betrogen hätte, wie sonst vielleicht eine Frau einen Mann betrügt. Ihr
Zimmermädchen seid gewohnt, durch das Schlüsselloch zu spionieren, und
davon behaltet ihr die Denkweise, von einer Kleinigkeit, die ihr wirklich seht,
238
back to the
book Das Schloss"
Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik