Page - 241 - in Das Schloss
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sie geradezu zwingen, wieder hierher zurückzukehren. Ich weiß nicht, ob es
so ist, auch ist mir meine Schuld gar nicht klar, nur wenn ich mich mit dir
vergleiche, taucht mir etwas Derartiges auf, so, als ob wir uns beide zu sehr,
zu lärmend, zu kindisch, zu unerfahren bemüht hätten, um etwas, das zum
Beispiel mit Friedas Ruhe, mit Friedas Sachlichkeit leicht und unmerklich zu
gewinnen ist, durch Weinen, durch Kratzen, durch Zerren zu bekommen – so,
wie ein Kind am Tischtuch zerrt, aber nichts gewinnt, sondern nur die ganze
Pracht hinunterwirft und sie sich für immer unerreichbar macht -; ich weiß
nicht, ob es so ist, aber daß es eher so ist, als wie du es erzählst, das weiß
ich.« – »Nun ja«, sagte Pepi, »du bist verliebt in Frieda, weil sie dir
weggelaufen ist; es ist nicht schwer, in sie verliebt zu sein, wenn sie weg ist.
Aber mag es sein, wie du willst, und magst du in allem recht haben, auch
darin, daß du mich lächerlich machst, was willst du jetzt tun? Frieda hat dich
verlassen, weder nach meiner Erklärung noch nach deiner hast du Hoffnung,
daß sie zu dir zurückkommt, und selbst wenn sie kommen sollte, irgendwo
mußt du die Zwischenzeit verbringen, es ist kalt, und du hast weder Arbeit
noch Bett, komm zu uns, meine Freundinnen werden dir gefallen, wir werden
es dir behaglich machen, du wirst uns bei der Arbeit helfen, die wirklich für
Mädchen allein zu schwer ist, wir Mädchen werden nicht auf uns angewiesen
sein und in der Nacht nicht mehr Angst leiden. Komm zu uns! Auch meine
Freundinnen kennen Frieda, wir werden dir von ihr Geschichten erzählen, bis
du dessen überdrüssig geworden bist. Komm doch! Auch Bilder von Frieda
haben wir und werden sie dir zeigen. Damals war Frieda noch bescheidener
als heute, du wirst sie kaum wiedererkennen, höchstens an ihren Augen, die
schon damals gelauert haben. Nun, wirst du also kommen?« – »Ist es denn
erlaubt? Gestern gab es doch noch den großen Skandal, weil ich auf euerem
Gang ertappt worden bin.« – »Weil du ertappt wurdest, aber wenn du bei uns
bist, wirst du nicht ertappt werden. Niemand wird von dir wissen, nur wir
drei. Ah, es wird lustig sein. Schon kommt mir das Leben dort viel
erträglicher vor als vor einem Weilchen noch. Vielleicht verliere ich jetzt gar
nicht so viel dadurch, daß ich von hier fort muß. Du, wir haben uns auch zu
dritt nicht gelangweilt, man muß sich das bittere Leben versüßen, es wird uns
ja schon in der Jugend bitter gemacht, nun, wir drei halten zusammen, wir
leben so hübsch, als es dort möglich ist, besonders Henriette wird dir gefallen,
aber auch Emilie, ich habe ihnen schon von dir erzählt, man hört dort solche
Geschichten ungläubig an, als könne außerhalb des Zimmers eigentlich nichts
geschehen, warm und eng ist es dort, und wir drücken uns noch enger
aneinander; nein, obwohl wir aufeinander angewiesen sind, sind wir
eigentlich einander nicht überdrüssig geworden; im Gegenteil, wenn ich an
die Freundinnen denke, ist es mir fast recht, daß ich wieder zurückkomme;
warum soll ich es weiterbringen als sie? Das war es ja eben, was uns
zusammenhielt, daß uns allen dreien die Zukunft in gleicher Weise versperrt
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik