Page - 245 - in Das Schloss
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wird ja ein kindliches Geschwätz sein. Wie sind also die Kleider?« – »Du
willst es wissen. Nun, sie sind aus gutem Material, recht kostbar, aber sie sind
veraltet, überladen, oft überarbeitet, abgenützt und passen weder für deine
Jahre noch deine Gestalt, noch deine Stellung. Sie sind mir aufgefallen, gleich
als ich dich das erstemal sah, es war vor einer Woche etwa, hier, im Flur.« –
»Da haben wir es also! Sie sind veraltet, überladen und was denn noch? Und
woher willst du das alles wissen?« – »Das sehe ich, dazu braucht man keine
Belehrung.«
»Das siehst du ohne weiteres. Du mußt nirgends nachfragen und weißt
gleich, was die Mode verlangt. Da wirst du mir ja unentbehrlich werden, denn
für schöne Kleider habe ich allerdings eine Schwäche. Und was wirst du dazu
sagen, daß dieser Schrank voll von Kleidern ist?« Sie stieß die Schiebetüren
beiseite, man sah ein Kleid gedrängt am andern, dicht in der ganzen Breite
des Schrankes, es waren meist dunkle, graue, braune, schwarze Kleider, alle
sorgfältig aufgehängt und ausgebreitet. »Das sind meine Kleider, alle veraltet,
überladen, wie du meinst. Es sind aber nur die Kleider, für die ich oben in
meinem Zimmer keinen Platz habe, dort habe ich noch zwei Schränke voll,
zwei Schränke, jeder fast so groß wie dieser. Staunst du?«
»Nein, ich habe Ähnliches erwartet; ich sagte ja, daß du nicht nur Wirtin
bist, du zielst auf etwas anderes ab.«
»Ich ziele nur darauf ab, mich schön zu kleiden, und du bist entweder ein
Narr oder ein Kind oder ein sehr böser, gefährlicher Mensch. Geh, nun geh
schon!«
K. war schon im Flur, und Gerstäcker hielt ihn wieder am Ärmel fest, als
die Wirtin ihm nachrief: »Ich bekomme morgen ein neues Kleid, vielleicht
lasse ich dich holen.«
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Das Schloss
- Title
- Das Schloss
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Categories
- Weiteres Belletristik