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können.
Wenn ich so daliege und daran denke, bewerte ich diese Möglichkeiten sehr
hoch, aber doch nur als technische Errungenschaften, nicht als wirkliche
Vorteile, denn dieses ungehinderte Aus- und Einschlüpfen, was soll es? Es
deutet auf unruhigen Sinn, auf unsichere Selbsteinschätzung, auf unsaubere
Gelüste, schlechte Eigenschaften, die noch viel schlechter werden angesichts
des Baues, der doch dasteht und Frieden einzugießen vermag, wenn man sich
ihm nur völlig öffnet. Nun bin ich freilich jetzt außerhalb seiner und suche
eine Möglichkeit der Rückkehr; dafür wären die nötigen technischen
Einrichtungen sehr erwünscht. Aber vielleicht doch nicht gar so sehr. Heißt es
nicht in der augenblicklichen nervösen Angst den Bau sehr unterschätzen,
wenn man ihn nur als eine Höhlung ansieht, in die man sich mit möglichster
Sicherheit verkriechen will? Gewiß, er ist auch diese sichere Höhlung oder
sollte es sein, und wenn ich mir vorstelle, ich sei mitten in einer Gefahr, dann
will ich mit zusammengebissenen Zähnen und mit aller Kraft des Willens, daß
der Bau nichts anderes sei als das für meine Lebensrettung bestimmte Loch
und daß er diese klar gestellte Aufgabe mit möglichster Vollkommenheit
erfülle, und jede andere Aufgabe bin ich bereit ihm zu erlassen. Nun verhält
es sich aber so, daß er in Wirklichkeit – und für die hat man in der großen Not
keinen Blick und selbst in gefährdeten Zeiten muß man sich diesen Blick erst
erwerben – zwar viel Sicherheit gibt, aber durchaus nicht genug, hören dann
jemals die Sorgen völlig in ihm auf?. Es sind andere, stolzere, inhaltsreichere,
oft weit zurückgedrängte Sorgen, aber ihre verzehrende Wirkung ist vielleicht
die gleiche wie jene der Sorgen, die das Leben draußen bereitet. Hätte ich den
Bau nur zu meiner Lebenssicherung aufgeführt, wäre ich zwar nicht betrogen,
aber das Verhältnis zwischen der ungeheuren Arbeit und der tatsächlichen
Sicherung, wenigstens soweit ich sie zu empfinden imstande bin und soweit
ich von ihr profitieren kann, wäre ein für mich nicht günstiges. Es ist sehr
schmerzlich, sich das einzugestehen, aber es muß geschehen, gerade
angesichts des Eingangs dort, der sich jetzt gegen mich, den Erbauer und
Besitzer abschließt, ja förmlich verkrampft. Aber der Bau ist eben nicht nur
ein Rettungsloch. Wenn ich auf dem Burgplatz stehe, umgeben von den hohen
Fleischvorräten, das Gesicht zugewandt den zehn Gängen, die von hier
ausgehen, jeder besonders dem Gesamtplatz entsprechend gesenkt oder
gehoben, gestreckt oder gerundet, sich erweiternd oder sich verengend und
alle gleichmäßig still und leer, und bereit, jeder in seiner Art mich
weiterzuführen zu den vielen Plätzen und auch diese alle still und leer – dann
liegt mir der Gedanke an Sicherheit fern, dann weiß ich genau, daß hier meine
Burg ist, die ich durch Kratzen und Beißen, Stampfen und Stoßen dem
widerspenstigen Boden abgewonnen habe, meine Burg, die auf keine Weise
jemandem anderen angehören kann und die so sehr mein ist, daß ich hier
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Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik