Page - 20 - in Der Bau
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den Burgplatz zu schützen. Dann gäbe es keine Geräusche in den Wänden,
keine frechen Grabungen bis an den Platz heran, dann wäre dort der Friede
gewährleistet und ich wäre sein Wächter; nicht die Grabungen des kleinen
Volkes hätte ich mit Widerwillen zu behorchen, sondern mit Entzücken,
etwas, was mir jetzt völlig entgeht: das Rauschen der Stille auf dem
Burgplatz.
Aber alles dieses Schöne besteht nun eben nicht und ich muß an meine
Arbeit, fast muß ich froh sein, daß sie nun auch in direkter Beziehung zum
Burgplatz steht, denn das beflügelt mich. Ich brauche freilich, wie sich immer
mehr herausstellt, alle meine Kräfte zu dieser Arbeit, die zuerst eine ganz
geringfügige schien. Ich horche jetzt die Wände des Burgplatzes ab, und wo
ich horche, hoch und tief, an den Wänden oder am Boden, an den Eingängen
oder im Innern, überall, überall das gleiche Geräusch. Und wieviel Zeit,
wieviel Anspannung erfordert dieses lange Horchen auf das pausenweise
Geräusch. Einen kleinen Trost zur Selbsttäuschung kann man, wenn man will,
darin finden, daß man hier auf dem Burgplatz, wenn man das Ohr vom
Erdboden entfernt, zum Unterschied von den Gängen wegen der Größe des
Platzes gar nichts hört. Nur zum Ausruhen, zum Selbstbesinnen mache ich
häufig diese Versuche, horche angestrengt und bin glücklich, nichts zu hören.
Aber im übrigen, was ist denn geschehen? Vor dieser Erscheinung versagen
meine ersten Erklärungen völlig. Aber auch andere Erklärungen, die sich mir
anbieten, muß ich ablehnen. Man könnte daran denken, daß das, was ich höre,
eben das Kleinzeug selbst bei seiner Arbeit ist. Das würde aber allen
Erfahrungen widersprechen; was ich nie gehört habe, obwohl es immer
vorhanden war, kann ich doch nicht plötzlich zu hören anfangen. Meine
Empfindlichkeit gegen Störungen ist vielleicht im Bau größer geworden mit
den Jahren, aber das Gehör ist doch keineswegs schärfer geworden. Es ist
eben das Wesen des Kleinzeugs, daß man es nicht hört. Hätte ich es denn
sonst jemals geduldet? Auf die Gefahr hin zu verhungern hätte ich es
ausgerottet. Aber vielleicht, auch dieser Gedanke schleicht sich mir ein,
handelt es sich hier um ein Tier, das ich noch nicht kenne. Möglich wäre es.
Zwar beobachte ich schon lange und sorgfältig genug das Leben hier unten,
aber die Welt ist mannigfaltig und an schlimmen Überraschungen fehlt es
niemals. Aber es wäre ja nicht ein einzelnes Tier, es müßte eine große Herde
sein, die plötzlich in mein Gebiet eingefallen wäre, eine große Herde kleiner
Tiere, die zwar, da sie überhaupt hörbar sind, über dem Kleinzeug stehen,
aber es doch nur wenig überragen, denn das Geräusch ihrer Arbeit ist an sich
nur gering. Es könnten also unbekannte Tiere sein, eine Herde auf der
Wanderschaft, die nur vorüberziehen, die mich stören, aber deren Zug bald
ein Ende nehmen wird. So könnte ich also eigentlich warten und müßte
schließlich keine überflüssige Arbeit tun. Aber wenn es fremde Tiere sind,
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Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik