Page - 21 - in Der Bau
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warum bekomme ich sie nicht zu sehen? Nun habe ich schon viele Grabungen
gemacht, um eines von ihnen zu fassen, aber ich finde keines. Es fällt mir ein,
daß es vielleicht ganz winzige Tiere sind und viel kleiner als die, welche ich
kenne, und daß nur das Geräusch, welches sie machen, ein größeres ist. Ich
untersuche deshalb die ausgegrabene Erde, ich werfe die Klumpen in die
Höhe, daß sie in allerkleinste Teilchen zerfallen, aber die Lärmmacher sind
nicht darunter. Ich sehe langsam ein, daß ich durch solche kleine
Zufallgrabungen nichts erreichen kann, ich durchwühle damit nur die Wände
meines Baues, scharre hier und dort in Eile, habe keine Zeit, die Löcher
zuzuschütten, an vielen Stellen sind schon Erdhaufen, die den Weg und
Ausblick verstellen. Freilich stört mich das alles nur nebenbei, ich kann jetzt
weder wandern, noch umherschauen, noch ruhen, öfters bin ich schon für ein
Weilchen in irgendeinem Loch bei der Arbeit eingeschlafen, die eine Pfote
eingekrallt oben in der Erde, von der ich im letzten Halbschlaf ein Stück
niederreißen wollte. Ich werde nun meine Methode ändern. Ich werde in der
Richtung zum Geräusch hin einen regelrechten großen Graben bauen und
nicht früher zu graben aufhören, bis ich, unabhängig von allen Theorien, die
wirkliche Ursache des Geräusches finde. Dann werde ich sie beseitigen, wenn
es in meiner Kraft ist, wenn aber nicht, werde ich wenigstens Gewißheit
haben. Diese Gewißheit wird mir entweder Beruhigung oder Verzweiflung
bringen, aber wie es auch sein wird, dieses oder jenes; es wird zweifellos und
berechtigt sein. Dieser Entschluß tut mir wohl. Alles, was ich bisher getan
habe, kommt mir übereilt vor; in der Aufregung der Rückkehr, noch nicht frei
von den Sorgen der Oberwelt, noch nicht völlig aufgenommen in den Frieden
des Baues, überempfindlich dadurch gemacht, daß ich ihn solange hatte
entbehren müssen, habe ich mich durch eine zugegebenerweise sonderbare
Erscheinung um jede Besinnung bringen lassen. Was ist denn? Ein leichtes
Zischen, in langen Pausen nur hörbar, ein Nichts, an das man sich, ich will
nicht sagen, gewöhnen könnte; nein, gewöhnen könnte man sich daran nicht,
das man aber, ohne vorläufig geradezu etwas dagegen zu unternehmen, eine
Zeitlang beobachten könnte, das heißt, alle paar Stunden gelegentlich
hinhorchen und das Ergebnis geduldig registrieren, aber nicht, wie ich, das
Ohr die Wände entlang schleifen und fast bei jedem Hörbarwerden des
Geräusches die Erde aufreißen, nicht um eigentlich etwas zu finden, sondern
um etwas der inneren Unruhe Entsprechendes zu tun. Das wird jetzt anders
werden, hoffe ich. Und hoffe es auch wieder nicht, – wie ich mit
geschlossenen Augen, wütend über mich selbst, mir eingestehe – denn die
Unruhe zittert in mir noch genau so wie seit Stunden und wenn mich der
Verstand nicht zurückhielte, würde ich wahrscheinlich am liebsten an
irgendeiner Stelle, gleichgültig, ob dort etwas zu hören ist oder nicht,
stumpfsinnig, trotzig, nur des Grabens wegen zu graben anfangen, schon fast
ähnlich dem Kleinzeug, welches entweder ganz ohne Sinn gräbt oder nur,
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Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik