Page - 22 - in Der Bau
Image of the Page - 22 -
Text of the Page - 22 -
weil es die Erde frißt. Der neue vernünftige Plan lockt mich und lockt mich
nicht. Es ist nichts gegen ihn einzuwenden, ich wenigstens weiß keinen
Einwand, er muß, soweit ich es verstehe, zum Ziele führen. Und trotzdem
glaube ich ihm im Grunde nicht, glaube ihm so wenig, daß ich nicht einmal
die möglichen Schrecken seines Ergebnisses fürchte, nicht einmal an ein
schreckliches Ergebnis glaube ich; ja, es scheint mir, ich hätte schon seit dem
ersten Auftreten des Geräusches an ein solches konsequentes Graben gedacht,
und nur weil ich kein Vertrauen dazu hatte, bisher damit nicht begonnen.
Trotzdem werde ich natürlich den Graben beginnen, es bleibt mir keine
andere Möglichkeit, aber ich werde nicht gleich beginnen, ich werde die
Arbeit ein wenig aufschieben. Wenn der Verstand wieder zu Ehren kommen
soll, soll es ganz geschehen, ich werde mich nicht in diese Arbeit stürzen.
Jedenfalls werde ich vorher die Schäden gutmachen, die ich durch meine
Wühlarbeit dem Bau verursacht habe; das wird nicht wenig Zeit kosten, aber
es ist notwendig; wenn der neue Graben wirklich zu einem Ziele führen sollte,
wird er wahrscheinlich lang werden, und wenn er zu keinem Ziele führen
sollte, wird er endlos sein, jedenfalls bedeutet diese Arbeit ein längeres
Fernbleiben vom Bau, kein so schlimmes wie jenes auf der Oberwelt, ich
kann die Arbeit wenn ich will unterbrechen und zu Besuch nach Hause gehen,
und selbst wenn ich das nicht tue, wird die Luft des Burgplatzes zu mir
hinwehen und bei der Arbeit mich umgeben, aber eine Entfernung vom Bau
und die Preisgabe an ein ungewisses Schicksal bedeutet es dennoch, deshalb
will ich hinter mir den Bau in guter Ordnung zurücklassen, es soll nicht
heißen, daß ich, der ich um seine Ruhe kämpfte, selbst sie gestört und sie
nicht gleich wiederhergestellt habe. So beginne ich denn damit, die Erde in
die Löcher zurückzuscharren, eine Arbeit, die ich genau kenne, die ich
unzähligemal fast ohne das Bewußtsein einer Arbeit getan habe und die ich,
besonders was das letzte Pressen und Glätten betrifft – es ist gewiß kein
bloßes Selbstlob, es ist einfach Wahrheit – unübertrefflich auszuführen
imstande bin. Diesmal aber wird es mir schwer, ich bin zu zerstreut, immer
wieder mitten in der Arbeit drücke ich das Ohr an die Wand und horche und
lasse gleichgültig unter mir die kaum gehobene Erde wieder in den Hang
zurückrieseln. Die letzten Verschönerungsarbeiten, die eine stärkere
Aufmerksamkeit erfordern, kann ich kaum leisten. Häßliche Buckel, störende
Risse bleiben, nicht zu reden davon, daß sich auch im ganzen der alte
Schwung einer derart geflickten Wand nicht wieder einstellen will. Ich suche
mich damit zu trösten, daß es nur eine vorläufige Arbeit ist. Wenn ich
zurückkomme, der Friede wieder verschafft ist, werde ich alles endgültig
verbessern, im Fluge wird sich das dann alles machen lassen. Ja, im Märchen
geht alles im Fluge und zu den Märchen gehört auch dieser Trost. Besser wäre
es, gleich jetzt vollkommene Arbeit zu tun, viel nützlicher, als sie immer
wieder zu unterbrechen, sich auf Wanderschaft durch die Gänge zu begeben
22
back to the
book Der Bau"
Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik