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sein. Und wenn es nicht direkt von den Rinnen stammt, so irgendwie indirekt.
Und wenn es gar nicht mit ihnen zusammenhängen sollte, dann läßt sich von
vornherein wohl gar nichts annehmen und man muß warten, bis man die
Ursache vielleicht findet oder sie selbst sich zeigt. Mit Annahmen spielen
könnte man freilich auch noch jetzt, es ließe sich zum Beispiel sagen, daß
irgendwo in der Ferne ein Wassereinbruch stattgefunden hat und das, was mir
Pfeifen oder Zischen scheint, wäre dann eigentlich ein Rauschen. Aber
abgesehen davon, daß ich in dieser Hinsicht gar keine Erfahrungen habe – das
Grundwasser, das ich zuerst gefunden habe, habe ich gleich abgeleitet und es
ist nicht wiedergekommen in diesem sandigen Boden –, abgesehen davon ist
es eben ein Zischen und in ein Rauschen nicht umzudeuten. Aber was helfen
alle Mahnungen zur Ruhe, die Einbildungskraft will nicht stillstehen und ich
halte tatsächlich dabei zu glauben – es ist zwecklos, sich das selbst
abzuleugnen –, das Zischen stamme von einem Tier und zwar nicht von
vielen und kleinen, sondern von einem einzigen großen. Es spricht manches
dagegen. Daß das Geräusch überall zu hören ist und immer in gleicher Stärke,
und überdies regelmäßig bei Tag und Nacht. Gewiß, zuerst müßte man eher
dazu neigen, viele kleine Tiere anzunehmen, da ich sie aber bei meinen
Grabungen hätte finden müssen und nichts gefunden habe, bleibt nur die
Annahme der Existenz des großen Tieres, zumal das, was der Annahme zu
widersprechen scheint, bloß Dinge sind, welche das Tier nicht unmöglich,
sondern nur über alle Vorstellbarkeit hinaus gefährlich machen. Nur deshalb
habe ich mich gegen die Annahme gewehrt. Ich lasse von dieser
Selbsttäuschung ab. Schon lange spiele ich mit dem Gedanken, daß es deshalb
selbst auf große Entfernung hin zu hören ist, weil es rasend arbeitet, es gräbt
sich so schnell durch die Erde, wie ein Spaziergänger im freien Gange geht,
die Erde zittert bei seinem Graben, auch wenn es schon vorüber ist, dieses
Nachzittern und das Geräusch der Arbeit selbst vereinigen sich in der großen
Entfernung und ich, der ich nur das letzte Verebben des Geräusches höre, höre
es überall gleich. Dabei wirkt mit, daß das Tier nicht auf mich zugeht, darum
ändert sich das Geräusch nicht, es liegt vielmehr ein Plan vor, dessen Sinn ich
nicht durchschaue, ich nehme nur an, daß das Tier, wobei ich gar nicht
behaupten will, daß es von mir weiß, mich einkreist, wohl einige Kreise hat es
schon um meinen Bau gezogen, seit ich es beobachte. – Viel zu denken gibt
mir die Art des Geräusches, das Zischen oder Pfeifen. Wenn ich in meiner Art
in der Erde kratze und scharre, ist es doch ganz anders anzuhören. Ich kann
mir das Zischen nur so erklären, daß das Hauptwerkzeug des Tieres nicht
seine Krallen sind, mit denen es vielleicht nur nachhilft, sondern seine
Schnauze oder sein Rüssel, die allerdings, abgesehen von ihrer ungeheuren
Kraft, wohl auch irgendwelche Schärfen haben. Wahrscheinlich bohrt es mit
einem einzigen mächtigen Stoß den Rüssel in die Erde und reißt ein großes
Stück heraus, während dieser Zeit höre ich nichts, das ist die Pause, dann aber
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Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik