Page - 26 - in Der Bau
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zieht es wieder Luft ein zum neuen Stoß. Dieses Einziehen der Luft, das ein
die Erde erschütternder Lärm sein muß, nicht nur wegen der Kraft des Tieres,
sondern auch wegen seiner Eile, seines Arbeitseifers, diesen Lärm höre ich
dann als leises Zischen. Gänzlich unverständlich bleibt mir allerdings seine
Fähigkeit, unaufhörlich zu arbeiten; vielleicht enthalten die kleinen Pausen
auch die Gelegenheit für ein winziges Ausruhen, aber zu einem wirklichen
großen Ausruhen ist es scheinbar noch nicht gekommen, Tag und Nacht gräbt
es immer in gleicher Kraft und Frische, seinen eiligst auszuführenden Plan
vor Augen, den zu verwirklichen es alle Fähigkeiten besitzt. Nun, einen
solchen Gegner habe ich nicht erwarten können. Aber abgesehen von seinen
Eigentümlichkeiten ereignet sich jetzt doch nur etwas, was ich eigentlich
immer zu befürchten gehabt hätte, etwas, wogegen ich hätte immer
Vorbereitungen treffen sollen: Es kommt jemand heran! Wie kam es nur, daß
so lange Zeit alles still und glücklich verlief? Wer hat die Wege der Feinde
gelenkt, daß sie den großen Bogen machten um meinen Besitz? Warum wurde
ich so lange beschützt, um jetzt so geschreckt zu werden? Was waren alle
kleinen Gefahren, mit deren Durchdenken ich die Zeit hinbrachte gegen diese
eine! Hoffte ich als Besitzer des Baues die Obermacht zu haben gegen jeden,
der käme? Eben als Besitzer dieses großen empfindlichen Werkes bin ich
wohlverstanden gegenüber jedem ernsteren Angriff wehrlos. Das Glück
seines Besitzes hat mich verwöhnt, die Empfindlichkeit des Baues hat mich
empfindlich gemacht, seine Verletzungen schmerzen mich, als wären es die
meinen. Eben dieses hätte ich voraussehen müssen, nicht nur an meine eigene
Verteidigung denken – und wie leichthin und ergebnislos habe ich selbst das
getan –, sondern an die Verteidigung des Baues. Es müßte vor allem Vorsorge
dafür getroffen sein, daß einzelne Teile des Baues, und möglichst viele
einzelne Teile, wenn sie von jemandem angegriffen werden, durch
Erdverschüttungen, die in kürzester Zeit erzielbar sein müßten, von den
weniger gefährdeten Teilen getrennt werden und zwar durch solche
Erdmassen, und derart wirkungsvoll getrennt werden könnten, daß der
Angreifer gar nicht ahnte, daß dahinter erst der eigentliche Bau ist. Noch
mehr, diese Erdverschüttungen müßten geeignet sein, nicht nur den Bau zu
verbergen, sondern auch den Angreifer zu begraben. Nicht den kleinsten
Anlauf zu etwas derartigem habe ich gemacht, nichts, gar nichts ist in dieser
Richtung geschehen, leichtsinnig wie ein Kind bin ich gewesen, meine
Mannesjahre habe ich mit kindlichen Spielen verbracht, selbst mit den
Gedanken an die Gefahren habe ich nur gespielt, an die wirklichen Gefahren
wirklich zu denken, habe ich versäumt. Und an Mahnungen hat es nicht
gefehlt.
Etwas, was an das jetzige heranreichen würde, ist allerdings nicht
geschehen, aber doch immerhin etwas ähnliches in den Anfangszeiten des
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Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik